Wenn die Corona-Ampel rot leuchtet

Gesundheitsämter müssen zuweilen mit scheinbar paradoxen Entwicklungen zurecht kommen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.

Dunkelrot ist der knapp 1500 Quadratkilometer umfassende Landkreis Uelzen im Nordosten Niedersachsens auf derzeit im Internet zu findenden »Corona-Landkarten« gefärbt. Ein Zeichen, das besagt: Jene Region, in der rund 93.000 Einwohner zuhause sind, musste Anfang der Woche mit einem Inzidenzwert von über 200 fertig werden, am Mittwoch waren es immer noch 179,7. Der Wert zeigt an, wie viele Menschen sich pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen mit Covid-19 infiziert haben.

Nur einen Schritt über die Kreisgrenze in Richtung Osten, und schon ist man in einem Gebiet, das angesichts eines Wertes unter 35 (am Mittwoch lag der Wert bei 31) die »Inzidenzampel« auf gelb geschaltet hat. Mit jener Ampel verdeutlicht das Land Niedersachsen die aktuelle Situation in seinem Gebiet mit den Farben rot, gelb und grün.

Die auffallende Differenz der Sieben-Tages-Inzidenz zwischen den beiden Kreisen beruht nicht etwa auf »privatem Verhalten«, wie es in einer Mitteilung aus dem Uelzener Kreishaus heißt und auch nicht auf der »dünneren« Besiedlung Lüchow-Dannenbergs, das bei einer Ausdehnung von 1220 Quadratkilometern gut 48.000 Einwohner umschließt. Zwar gibt es bei den zuständigen Stellen zurzeit keine belastbare wissenschaftliche Erklärung dafür, was den »Sprung« des Wertes von Kreis zu Kreis verursacht hat, wohl aber eine Vermutung: Die hohen Infektionszahlen, so erläutert Uelzens Kreissprecher Martin Theine, gründen sich in erster Linie auf Corona-Erkrankungen in Alten- und Pflegeheimen, und zwar auf Bewohner dieser Einrichtungen, die zuvor zu Behandlungen im Uelzener Helios-Klinikum waren.

Bei ihrer Entlassung seien diese Patienten, so Theine, in jenem Krankenhaus auf eine mögliche Infektion getestet worden, und das Ergebnis habe gelautet: keine Covid-19-Infektion! Zurückgekehrt ins jeweilige Heim, habe man diese Menschen dann ein weiteres Mal zum Corona-Test gebeten, und dieser habe angezeigt: positiv - mit Covid infiziert!

Wie dies geschehen kann? Vermutet wird, wie der Kreissprecher ergänzt, dass sich die Seniorinnen und Senioren zwar vor dem Entlass-Test des Klinikums infiziert haben, jedoch erst eine gewisse Karenzzeit verstreichen musste, bis dass die Testung diese Infektion anzeigte. Eben dann bei der Überprüfung im Heim.

Ob hoher Inzidenzwert im Kreis Uelzen oder verhältnismäßig niedriger in Lüchow-Dannenberg: Die Kräfte des zuständigen Gesundheitsamtes arbeiten am Limit, weiß Martin Theine. Denn jene Dienststelle in Uelzen ist für beide Landkreise zuständig, seit die früher eigenständigen Ämter im Jahr 2006 zusammengelegt wurden und einen »Zweckverband« bildeten. Zu seinen wichtigsten und auch arbeitsintensivsten Tätigkeiten zählt das Ermitteln von Kontakten, die infizierte Menschen hatten. Eine Aufgabe, die uneingeschränkt erfüllt wird, bekräftigt Theine.

Um dem Inzidenzwert weiter zu begegnen, hat der Zweckverband aktuell eine sogenannte Allgemeinverfügung erlassen, die - mit Blick auf den vermuteten Infektionsweg im Raum Uelzen - sowohl die Alten- und Pflegeheime als auch das Helios-Klinikum betrifft und unter anderem besagt: Die Heimbewohner dürfen zurzeit nur von einer von ihnen auszuwählenden, nahestehenden Person besucht werden. Darüber hinaus ist nur einem begrenzten Kreis der Zutritt zu den Heimen gestattet: Seelsorgern, rechtlichen Betreuern und Therapeuten beispielsweise. Und die Heime sind aufgerufen, bei allen Bewohnerinnen und Bewohnern dreimal pro Woche einen Schnelltest auf das Coronavirus vorzunehmen.

Strenge Regeln hat der Gesundheitsverband auch dem Helios-Klinikum vorgegeben: Alle Patienten, die dort stationär behandelt und bis zum 13. Februar entlassen werden, müssen sich nach ihrem Aufenthalt für zehn Tage in häusliche Quarantäne begeben. Das Klinikum wiederum ist durch die Verfügung verpflichtet worden, täglich die Mitarbeitenden vor Dienstbeginn »durch PCR-Test« in puncto Virus zu kontrollieren. Bei allen Arbeiten an Patienten müssen die Kräfte Schutzbekleidung tragen, das heißt: FFP2-Masken und Visier oder Schutzbrille sowie Einweg-Schutzkittel.

Uelzens Landrat Heiko Blume (CDU) kommentiert die strenge Verfügung: Alle daran Beteiligten hoffen, mit diesen Vorgaben die derzeitige Infektionsdynamik bremsen und den Inzidenzwert deutlich senken zu können. »Die in den vergangenen Tagen ermittelten Infektionsketten machen deutlich, dass es richtig ist, dort anzusetzen«, so der Verwaltungschef.

Nicht richtig ist nach Ansicht vieler Menschen in Lüchow-Dannenberg die bisherige Absicht des Landes, in ihrem Kreisgebiet kein Covid-Impfzentrum einzurichten, sondern nur im Kreis Uelzen. Das hieße für Betagte, etwa im Elbestädtchen Schnackenburg, entweder rund 80 Kilometer Autofahrt hin und zurück oder über vier Stunden Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Lüchow-Dannenbergs Landrat Jürgen Schulz (parteilos) möchte, dass in dem Flächenlandkreis mehrere kleinere Impfzentren eingerichtet werden. Das Sozialministerium in Hannover will das prüfen, entschieden hat es noch nicht.

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