Das schwächste Glied
Kommunen werden von der Coronakrise besonders hart getroffen. Sie benötigen künftig deutlich mehr Geld von Bund und Ländern
Die Bundesregierung hat den rund 400 Gesundheitsämtern in Deutschland von Anfang an eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie zugewiesen. Die meist kommunalen Stellen sollen nämlich die Virusinfektionen nachverfolgen. Das ist, gerade bei hohen Infektionszahlen, aber personell aufwendig und kostspielig. Ende September hatten Bund und Länder daher einen Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst geschlossen. Vier Milliarden Euro aus Bundesmitteln sollen in den kommenden Jahren helfen, die Digitalisierung voranzutreiben und mehr Personal einzustellen.
So weit, so gut. Weil jedoch der Bund das Geld nicht direkt an die Kommunen überweisen darf, muss es den Weg über die Länder nehmen, und das dauert. Die erste Rate von 200 Millionen Euro soll Finanzminister Olaf Scholz (SPD) Ende 2020 an die Länder überwiesen haben. Doch laut Medienberichten ist davon in vielen Kommunen bislang nichts angekommen.
Nun gibt es durchaus gute Gründe dafür, die föderale Struktur der Bundesrepublik als möglichen Erfolgsfaktor auch in der Auseinandersetzung mit der Pandemie zu sehen. Aber finanziell macht die Dreiteilung Bund-Länder-Kommunen vor allem dem schwächsten Glied, den Städten und Gemeinden, das Leben schwer. Die direkten Einnahmen der Kommunen decken nur einen kleineren Teil der Ausgaben, wie der »Infrastrukturatlas« der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung belegt. Danach können Kommunen aus Eigenmitteln lediglich 38 Prozent ihrer Investitionen in Kitas, Fußwege und Wasserversorgung stemmen. Und das schon in normalen Zeiten.
Die wichtigsten eigenen Einnahmequellen sind die Gewerbesteuern der Betriebe und die Grundsteuer der Häuslebauer. Dazu kommen kleine kommunale Steuern etwa für Hundebesitzer und Jagdpächter. Unterm Strich blieben die Kommunen in den Monaten Januar bis September 2020 bei Ausgaben von 209,7 Milliarden auf einem Minus von 14,9 Milliarden Euro sitzen, wie aus den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht.
Gleichzeitig bestehen »immer noch große Ost-West-Unterschiede«, heißt es beim Deutschen Landkreistag, der drei Viertel der Kommunen vertritt. Und in Ost wie West gibt es gewaltige Unterschiede zwischen reichen und armen Gemeinden und Städten. Jeder sechste kommunale Haushalt gilt schon in normalen Zeiten als »defizitär«, steckt also im Minus. Der neuerliche Lockdown seit November dürfte das Finanzloch vor allem in den wirtschaftlich schwächeren Kommunen noch erheblich vergrößert haben, auch wenn noch keine konkreten Zahlen vorliegen.
Klar ist auch, dass vor Ort die Möglichkeiten, den Folgen der Coronakrise zu begegnen, sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Wo Verschuldungsgrad, strukturelle Arbeitslosigkeit und das Zahlungsausfallrisiko ansässiger Unternehmen hoch sind, sinkt die Widerstandsfähigkeit. Das gilt für Kommunen vor allem in Nordrhein-Westfalen, aber auch vereinzelt in Rheinland-Pfalz, Hessen und Brandenburg.
Daran ändert auch der kommunale Finanzausgleich nichts Grundlegendes, der ähnlich wie der Länderfinanzausgleich für eine gewisse Umverteilung der lokal extrem unterschiedlichen Finanzmittel sorgt. Auch die Bundeszuschüsse für die Gesundheitsämter können da nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein.
Anders als der Bund, dessen Einnahmen während der zehnjährigen Hochkonjunktur seit 2010 um rund die Hälfte zulegten, blieben die Kommunen von der Steuerflut weitgehend abgeschnitten. Städte und Gemeinden hängen vom politischen Willen der Regierungen, Parlamente und Verwaltungen in den jeweiligen Bundesländern ab. Und direkte Überweisungen vom Bund sind, siehe Gesundheitsämter, verpönt. Der bürokratische Umweg über die Landeshauptstädte blockiert auch die 500 Millionen Euro des Bundes für Lehrer-Laptops und trägt dazu bei, dass es seit Monaten nicht gelingt, Schnelltests in Alten- und Pflegeeinrichtungen zu gewährleisten. Städte und Gemeinden sind also gleich doppelt abhängig von Wohlwollen und Leistungsfähigkeit der Ministerien und Behörden in Schwerin, Düsseldorf oder München. Doch die Bundesländer schwimmen ebenfalls selbst nicht alle im Geld. Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland, das die höchsten coronabedingten Kredite aufnimmt. Das bevölkerungsreichste Land hat laut Ifo-Institut Kreditermächtigungen in der sogar weltrekordverdächtigen Höhe von 33 Prozent seines Haushaltes 2019 beschlossen, was 25 Milliarden Euro entspricht. Zugleich zeigt sich, dass Länder mit vergleichsweise niedriger Pro-Kopf-Verschuldung wie Bayern, Sachsen oder Baden-Württemberg pro Einwohner besonders viel Geld in kommunale Investitionen stecken.
Die Corona-Pandemie verschlechtert die Finanzlage der Kommunen »dramatisch«. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie des ZEW Mannheim und des Deutschen Instituts für Urbanistik im Auftrag des Städtetages. Corona sorgt nämlich für finanzielle Mehrbelastungen: insbesondere durch die Rückgänge bei den Gewerbesteuereinnahmen und durch den Anstieg der Sozialausgaben. Auch lange über 2020 hinaus, so das ZEW, bräuchten die Kommunen daher von Bund und Ländern Unterstützung in Milliardenhöhe.
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