Scharfe Kritik an Urteil gegen Nawalny

Proteste in Russland enden mit Festnahmen / EU droht mit zusätzlichen Sanktionen

»Ungefähr« zwei Jahre und acht Monate Haft. So beziffert Anwältin Olga Michailowa die voraussichtliche Haftdauer ihres Klienten Alexej Nawalny. Denn von der dreieinhalbjährigen Bewährungsstrafe wurde ein früherer Hausarrest abgezogen. Der derzeit wichtigste Widersacher von Präsident Wladimir Putin war 2014 wegen des Vorwurfs der Unterschlagung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Nun wurde dem 44-jährigen nationalliberalen Politiker unter anderem vorgeworfen, er habe sich während seines Aufenthalts in Deutschland nicht zweimal monatlich bei den Behörden gemeldet.

Direkt nach dem Urteil kam es in Russland zu Protesten gegen die Festnahme von Nawalny. Nach Berichten seien dabei am Dienstag 1400 Menschen festgenommen worden, teilte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte mit, das von Russland ihre Freilassung verlangte. Die Menschen hätten bei den Protesten von ihrem Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht, teilte das Hochkommissariat am Mittwoch in Genf mit.

Der Kreml hat den Vorwurf der Polizeigewalt zurückgewiesen und die Einsätze der Sicherheitskräfte verteidigt. Die nicht genehmigten Demonstrationen von Anhängern Nawalnys seien eine »Provokation«, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. Das »harte Vorgehen der Polizei im Rahmen des Rechts« sei gerechtfertigt.

Die Bundesregierung hält nach dem Urteil weitere EU-Sanktionen gegen Russland für denkbar. »Das weitere Vorgehen wird im Kreis der europäischen Partner zu besprechen sein, weitere Sanktionen sind nicht ausgeschlossen«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. In der EU werden bereits seit dem vergangenen Monat neue EU-Sanktionen gegen Russland diskutiert.

Seibert bekräftigte die Forderung, Nawalny umgehend frei zu lassen. Die Verurteilung sei »fernab rechtsstaatlicher Prinzipien«, sagte der Regierungssprecher. Die Entscheidung fuße auf einem Urteil, das der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 2017 als willkürlich eingestuft habe. Als Mitglied des Europarats sei Russland verpflichtet, die Entscheidungen des EGMR umzusetzen. Neben Deutschland hatten etwa die USA, Frankreich und Großbritannien die sofortige Freilassung gefordert.

Wie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte kritisierte Seibert das Vorgehen der russischen Sicherheitskräfte bei den landesweiten Protesten von Nawalnys Anhängern. Die Bundesregierung verurteile die »systematische Gewaltanwendung gegen Demonstranten«.

Ungeachtet der Kritik an Moskau hält die Bundesregierung am deutsch-russischen Pipelineprojekt Nord Stream 2 fest. Die Haltung der Bundesregierung sei bekannt und habe sich nicht verändert, sagte Seibert. Mit Agenturen

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