- Politik
- Einmalhilfe zur Coronakrise
Abgespeist und im Regen gelassen
Die vom Koalitionsausschuss beschlossene Einmalhilfe für arme Menschen sorgt für Kritik
Nach rund einem Jahr Corona-Pandemie in Deutschland hat sich der Koalitionsausschuss am Mittwochabend dazu durchgerungen, erwachsenen Grundsicherungsbeziehenden einmalig 150 Euro als finanzielle Hilfe zu zahlen. Auch einen Kinderzuschuss von 150 Euro wird es geben. Dieser wird, wie bereits der Kinderzuschuss im Sommer und Herbst 2020 nicht – wie etwa das Kindergeld – mit dem Hartz-IV-Regelsatz verrechnet.
Ein Corona-Zuschuss für arme Menschen wird schon seit Mai vergangenen Jahres von zahlreichen Sozialverbänden und Organisationen in einem gemeinsamen Aufruf gefordert. Unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Deutsche Mieterbund und der Paritätische Wohlfahrtsverband forderten damals 100 Euro mehr im Monat für alle Menschen, die existenzsichernde Sozialleistungen beziehen. Diese seien notwendig, um die durch die Coronakrise entstandenen Mehrkosten stemmen zu können.
Die Ärmsten traf und trifft die Pandemie besonders hart: Viele Hilfsangebote fallen weg oder sind geschlossen, etwa Büchereien, Sozialkaufhäuser, das kostenlose Mittagessen in der Schule. Dazu kommen gestiegene Preise für einige Lebensmittel, oder auch zusätzliche Ausgaben wie etwa für Desinfektionssprays oder für den von der Bundesregierung empfohlenen Notvorrat.
Selbst ohne krisenbedingte Mehrkosten ist es für Menschen, die Hartz IV beziehen, nicht möglich, gut über die Runden zu kommen. Die Regelsätze liegen unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Erst im Juni 2020 hat beispielsweise ein Gutachten des wissenschaftlichen Beirates vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft festgestellt: »Die vorhergehend durchgeführte Analyse zeigt, dass die derzeitige Grundsicherung ohne weitere Unterstützungsressourcen nicht ausreicht, um eine gesundheitsfördernde Ernährung zu realisieren«.
So verwundert es nicht, dass die beschlossene Coronahilfe für arme Menschen für viel Kritik sorgt. »150 Euro Einmalzahlung ist gut für Kinder über der Armutsgrenze. Für Beziehende von Hartz IV und Altersgrundsicherung bleibt es weit hinter dem zurück, was wirklich Not tut«, kommentierte den Beschluss etwa Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer vom Paritätischen Gesamtverband. »Die Krisenbewältigung der Großen Koalition bleibt ein armutspolitisches Trauerspiel«, so Schneider weiter. Nach einem Jahr Krise, Pandemie und Ausnahmezustand, deren Ende noch nicht absehbar ist, seien die angekündigten Einmalzahlungen viel zu wenig.
»Es ist wirklich beschämend, wie die Bundesregierung die Not der Armen in dieser Krise monatelang ignoriert hat, die Menschen nun mit 150 Euro abspeist und im Regen stehen lässt.« Der Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles sowie die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA Flüchtlingshilfe) forderten Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) am Donnerstag in einem offenen Brief auf, alle hilfebedürftigen Gruppen gleich zu behandeln. Sie kritisieren vor allem, dass der Beschluss offen lässt, ob geflüchtete Menschen mit einer Aufenthaltsgenehmigung und Duldung ebenfalls die Zuschüsse erhalten.
Ebenso kritisierten Gewerkschaften den Beschluss des Koalitionsausschusses: »Die Höhe dieser Hilfen ist insgesamt viel zu gering«, erklärte Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke forderte, es dürfe nicht bei einem einmaligen Zuschuss bleiben.
Kritik an den finanziellen Hilfen für Bedürftige kommt auch von Grünen und Linken. Im Vorfeld des Koalitionsausschusses forderten die Grünen einen Corona-Zuschlag von 100 Euro monatlich für Erwachsene, die Grundsicherung beziehen, sowie von 60 Euro für Kinder. Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen, nannte die Ergebnisse des Koalitionsausschusses eine »mickrige Einmalzahlung« und »herbe Enttäuschung«.
Auch die Linke fordert einen monatlichen Coronazuschlag für arme Menschen: 100 Euro mehr auf alle Sozialleistungen und niedrige Renten. »Das Zögern der Regierung hat den Ärmsten im Land während der Pandemie zusätzliche Existenznöte beschert, die vermeidbar gewesen wären«, kritisierte Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag und Parteivorsitzende. »Union und SPD handeln zu spät und dann auch noch halbherzig«, so Kipping weiter. Zusätzliche Kosten in der Pandemie etwa für Hygieneartikel oder ausgefallene Schulverpflegung fielen nicht nur einmalig an.
Heil hingegen lobte die am Mittwochabend beschlossenen Corona-Hilfen und wies die Kritik der Sozialverbände zurück: »Das kommt im Geldbeutel der Menschen an«, so Heil. Die Menschen könnten sich auf »soziale Sicherheit« verlassen, die Hilfen seien »wirtschaftlich vernünftig« und »sozial geboten«. Er kündigte am Donnerstag an, die vom Koalitionsausschuss beschlossenen Coronahilfen für arme Menschen voraussichtlich nächsten Mittwoch ins Kabinett einzubringen.
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