Nicht zimperlich
Personalie
Der türkische Innenminister ist immer für eine Überraschung gut. Süleyman Soylu, Jahrgang 1969, ist nicht eben für diplomatische Töne bekannt. So hat er die Studierenden bei den Protesten an der Boğaziçi-Universität kurzerhand als »Terroristen« abgekanzelt. Und nun hat er sich die USA vorgeknöpft: Diese steckten nämlich in Wirklichkeit hinter dem fehlgeschlagenen Putsch von 2016. Seine Theorie erklärte er der Tageszeitung »Hürriyet«. Demnach hätten die USA den Putschversuch gemanagt, während das Netzwerk von Prediger Fethullah Gülen ihn ausgeführt habe. Erwartungsgemäß wies das US-Außenministerium die Anschuldigung Soylus als »völlig falsch« zurück. Seit langem fordert die Türkei von den USA vergeblich Gülens Auslieferung, weil sie ihn für den Putschversuch verantwortlich macht.
Nicht besonders zimperlich reagiert Innenminister Soylu auch auf die andauernden Studierenden-Proteste, die sich auf das ganze Land ausgeweitet haben. Seine Polizisten schlagen hart zu: Nach offiziellen Angaben wurden seit Jahresanfang landesweit mehr als 500 Menschen festgenommen. Mit Blick auf die Proteste äußerte er sich abfällig über LGBTIQ*-Menschen und tat es damit Staatspräsident Erdoğan nach. Über Twitter verbreitete er zudem kaum verhohlene Aufforderungen zur Gewalt, offiziell gekennzeichnet als Stellungnahmen des türkischen Innenministeriums: »Sollten wir LGBT-Perverse tolerieren, die in das Rektoratsgebäude eingedrungen sind? Natürlich nicht!«
Seine politische Karriere begann Süleyman Soylu in der liberal-konservativen Demokratischen Partei und brachte es 2008 sogar bis zum Vorsitzenden. 2012 lud ihn Erdoğan, damals Ministerpräsident, in die AKP ein, 2016 wurde er Innenminister. Heute ist er ergebener Parteigänger seines Präsidenten. Im vergangenen Jahr bot er sogar seinen Rücktritt an: aus Verantwortung für eine überstürzt verhängte Ausgangssperre wegen des Coronavirus. Erdoğan lehnte ab: Er ahnte wohl, dass er den scharfen Innenminister noch gut gebrauchen könnte. Cyrus Salimi-Asl
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