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  • Impeachment gegen Donald Trump

Trump und die »Titanic«

Auch das zweite Impeachment dürfte scheitern. Dabei gäbe es eine Alternative

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor allem anderen führt das an diesem Dienstag im US-Senat beginnende zweite Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump das der Politik geläufige Dilemma zwischen Wünsch- und Machbarem vor Augen. Es steht außer Frage, dass der abgewählte Präsident mit Aufstachlung seiner Anhänger zum Sturm aufs Kapitol am 6. Januar sich den Anklagepunkt »Anstiftung zur Aufruhr« redlich verdient hat. Soweit das Wünschenswerte.

Machbar wird es trotzdem kaum sein. Wie schon im ersten Impeachment vor einem Jahr, als Mitt Romney als einziger Republikaner den Mut aufbrachte, Trump schuldig zu sprechen. Auch jetzt steht die Mehrheit der Partei hinter ihrem Frontmann, wenn auch zähneknirschender. Das zeigte die Senatsabstimmung, kurz nachdem das Abgeordnetenhaus mit 232 zu 197 die neue Impeachment-Klage »Anstiftung zur Aufruhr« angestoßen hatte: 45 der 50 republikanischen Senatorinnen und Senatoren votierten gegen den Beginn der Verhandlung in dieser Kammer, der nun die Richterrolle zukommt. Diese Senatoren fürchten immer noch Trumps Rache. Sie fürchten seine Basis, und sie fürchten um ihre eigene Politzukunft, sollten sie sich von ihm abwenden. Dazukommt, dass seine Verteidiger mit der Linie in den - formal wie vor einem Gericht geführten, inhaltlich rein politischen - Prozess ziehen, Trumps Aufwieglung sei nur Wahrnehmung der Redefreiheit gewesen.

Auch Rechtsexperten streiten, ob die Verfassung ein Impeachment gegen einen abgetretenen Präsidenten billigt. Doch selbst jene, die Trumps Leugnen seiner Niederlage und sein Anstacheln zum Aufstand für anklagereif halten, halten ein Impeachment für ungeeignet, ihn so zu bestrafen und - mehr noch - ihm die Chance auf eine neuerliche Präsidentschaftskandidatur zu entziehen. Jurist Bruce Ackerman, Professor für Recht und Politische Wissenschaften an der Yale University, schrieb bereits im Januar, als der Sturm auf das Kapitol stattgefunden, Präsident Trump aber noch eine Woche zu amtieren hatte, in der »Washington Post«, der Plan der Demokraten werde nicht funktionieren: »Die Verfassung betrachtet Impeachment nur als Mittel gegen einen im Amt befindlichen Präsidenten.« Ein Impeachment solle in erster Linie »das Land schützen, nicht den Angreifer bestrafen«.

Jedoch betonen Ackerman und weitere Experten zugleich, dass ein alternativer Weg existiert, um Trump in Zukunft von öffentlichen Ämtern fernzuhalten: Der 14. Zusatzartikel der Verfassung, 1868 nach dem Bürgerkrieg im Hinblick auf Militärs und Politiker der abtrünnigen, Sklavenhalter-freundlichen Südstaaten angenommen, verbietet Personen den Zugang zu einem Bundesamt, wenn sie »an einem Aufstand oder Aufruhr« gegen die Vereinigten Staaten »teilgenommen« haben. Ein solches Urteil bedarf lediglich der einfachen Mehrheit beider Kongresskammern, im Gegensatz zur Zweidrittel-Mehrheit für ein erfolgreiches Impeachment im Senat. Der Kongress müsste nur mehrheitlich feststellen, dass Trump sich an einem Akt des Aufruhrs beteiligt hat.

Erwartet wird, dass die als Ankläger fungierenden Demokraten hierfür neues Videomaterial vom Angriff auf das Kapitol beibringen. Das würde dem Impeachment einen neuen Eindruck von der Atmosphäre des Terrors und der Lebensgefahr vermitteln, in der sich an jenem 6. Januar Parlamentarierinnen und Parlamentarier und deren Mitarbeiter befanden. Der Senat ist nach dem 6. Januar ja nicht nur Gerichts-, sondern auch Tatort. Eine der ranghöchsten republikanischen Abgeordneten, Trump-Kritikerin Liz Cheney, schloss am Sonntag gegenüber Fox News auch strafrechtliche Ermittlungen gegenüber dem früheren Präsidenten nicht aus. Sie verwies auf einen Tweet Trumps an seinen Vizepräsidenten, in dem er - noch nach Beginn des Sturms aufs Parlament - Mike Pence als »Feigling« beschimpfte, weil dieser die Beglaubigung von Joe Bidens Wahlsieg im Kongress nicht verhindert, und den Mob so weiter angestachelt habe. In der Tat waren neben Demokraten auch Republikaner (»Hang Mike Pence!«) bedroht worden, die Trump für Abweichler hielt.

Die politischen Vorteile einer Anwendung des 14. Amendment wären: Während es so gut wie ausgeschlossen ist, dass sich die für ein erfolgreiches Impeachment erforderliche Zweidrittelmehrheit im hundertköpfigen Senat findet, dürfte die Annahme realistisch sein, dass es Trump nach dem Kapitol-Sturm sehr viel schwerer fallen wird, in beiden Kammern je zwei Drittel aller Parlamentarier aktiv dafür zu gewinnen, dem gefallenen Präsidenten künftig wieder den Zugang in ein Bundesamt zu ermöglichen. Für die Demokraten böte der 14. Artikel wichtige Vorteile im Vergleich zum Impeachment: Die Aussicht auf Bestrafung und Ausschluss Trumps von künftigen Ämtern wäre größer und könnte Präsident Biden zudem mehr Spielraum für seine Initiativen zur Wirtschaftsankurbelung und gegen die Corona-Pandemie verschaffen, als sich in einem Impeachment zu verschleißen.

Auch viele Demokraten fürchten daher, dass dieses Impeachment, so gerechtfertigt es ist, erneut nach hinten losgeht. Doch fürs erste steht ab diesem Dienstag im Senat die - voraussichtlich kurze - Impeachment-Verhandlung an. Allerdings gleicht die Hoffnung, die republikanischen Senatoren in ausreichender Zahl für eine Verurteilung des abgewählten Präsidenten zu gewinnen, dem Versuch, Bordkarten für die »Titanic« zu verkaufen, nachdem der Luxusliner gesunken ist. Ob nach dem mutmaßlichen Flop die Anwendung des 14. Amendment denkbar bleibt und gesucht wird, steht momentan dagegen so in den Sternen wie der Ausgang eines ordentlichen Gerichtsprozesses und unser aller Schicksal auf hoher See.

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