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Weitgehende Abrüstungsforderungen

Der Programmentwurf zur Bundestagswahl spiegelt indirekt die durch ein Papier von Matthias Höhn befeuerte friedenspolitische Debatte in der Linken wider

Das Kapitel »Für Frieden und Abrüstung. Waffenexporte verbieten« kommt ziemlich weit hinten im vom Parteivorstand am Montag veröffentlichten Entwurf für das Wahlprogramm zur Bundestagswahl. Nichtsdestotrotz enthält es weitreichende Vorhaben und Forderungen, darunter ein vollständiges Waffenexportverbot. Weiter heißt es: »Die Bundeswehr muss aus allen Auslandseinsätzen zurückgeholt werden.« Sie solle zudem »zurückgebaut werden« zu jener Verteidigungsarmee, die das Grundgesetz vorsieht.

Weiter verspricht die Partei laut Entwurf, »auch nach der Wahl« strikt nein zur Bewaffnung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen zu sagen. Weiter soll die Bundesrepublik endlich den UN-Atomwaffenverbotsvertrag unterschreiben, die in Büchel lagernden US-Atomwaffen müssten »sofort abgezogen und vernichtet werden«. Weiter findet sich im Entwurf die Formulierung aus dem Grundsatzprogramm, die Nato solle durch ein »kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands« ersetzt werden. Die Linke werde zudem »in jeder Konstellation« für den Austritt Deutschlands »aus den militärischen Strukturen des Militärbündnisses« und dafür eintreten, dass »die Bundeswehr dem Oberkommando der Nato entzogen wird«.

Für den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag macht sich auch der Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn in seinem Papier zu »linker Sicherheitspolitik« stark, das in der Partei seit drei Wochen kontrovers diskutiert wird (siehe »nd« vom 20. und 25.1.). Doch während über diese Forderung in der Partei Konsens besteht, rufen andere Vorschläge Höhns harsche Kritik hervor. Insbesondere seine Idee, die Bundesrepublik solle bis 2030 nicht, wie seit 2014 von CDU, CSU und SPD geplant, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) fürs Militär ausgeben, sondern »nur« ein Prozent und ein weiteres für die Entwicklungszusammenarbeit, ruft Widerspruch hervor. Während Höhn argumentiert, damit hätte die Bundesrepublik künftig den niedrigsten Militäretat aller Zeiten, wirft ihm unter anderem die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel vor, durch die Kopplung ans BIP und damit ans Wirtschaftswachstum würde man sich immer noch auf Aufrüstung einlassen.

Tatsächlich würde der Verteidigungsetat im Fall der Umsetzung von Höhns Vorschlag 34 Milliarden Euro umfassen, während dafür real schon für dieses Jahr fast 47 Milliarden im Bundeshaushalt vorgesehen sind.

Hänsel kritisiert zudem in einem Beitrag für »Links bewegt«, das Onlinemagazin der Linken, wenn Höhn »mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr mit UN-Mandat« wolle, bedeute dies ebenfalls Aufrüstung. In seinem Papier fordert der Politiker die Linke auf, »Peacekeeping-Missionen« der UNO nicht mehr grundsätzlich abzulehnen und »das Gewaltmonopol der Uno« durchzusetzen.

Dies kritisiert auch Alexander S. Neu, Obmann der Linken im Verteidigungsausschuss des Bundestages in einer Replik auf die Vorschläge Höhns als realitätsfern. Denn in der Uno herrsche eher ein »Gewaltoligopol der Großmächte«. Daher wäre eine Zustimmung zu UN-mandatierten Militärmissionen unter den gegebenen Bedingungen »nichts weniger, als den Interessen dieser Großmächte und deutschen Großmachtambitionen zu dienen«, schreibt Neu. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik in der Linken kritisiert ebenfalls Höhns »1+1-Prozent-Ziel« und sein Plädoyer für »mehr« Bundeswehreinsätze mit UN-Mandat. Letzteres sei »angesichts der Pandemie und den daraus erwachsenen sozialen und finanziellen Herausforderungen« unverantwortlich und nicht mit den friedenspolitischen Grundsätzen der Partei vereinbar.

Jan van Aken, Mitglied des Linke-Bundesvorstands und als Bundestagsabgeordneter (2009 bis 2017) profilierter Außenpolitiker, kann hingegen dem »1+1-Prozent-Ziel« einiges abgewinnen. Der Schweizer »Wochenzeitung« (28.1.) sagte van Aken, er finde »das Grundprinzip total klug: Lasst uns viel Geld für eine vernünftige Außenpolitik in die Hand nehmen«. Würde noch mehr als von Höhn vorgeschlagen für »Entwicklungspolitik und zivile Konfliktbearbeitung« aufgewendet, entspräche das seiner »Vision einer Friedensmacht Deutschland«, so van Aken. Er betonte zugleich, er werde, sollte es nach der Bundestagswahl für eine Koalition mit SPD und Grünen reichen, »im Parteivorstand immer dafür kämpfen, dass es nicht zu einem Auslandseinsatz kommt«.

Klar scheint zu sein, dass die Debatte zur »Sicherheitspolitik« weitergehen wird. Zumal sich auch einige Genoss*innen mit Diskussionsbeiträgen ohne direkte Bezugnahme auf die Vorschläge Höhns dazu positionieren.

So sieht die friedenspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kathrin Vogler, Sicherheit vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie vor allem als sozial-, gesundheits- und wirtschaftspolitisches Thema. In einem Diskussionspapier betont sie, genau deshalb sei schnelle Abrüstung das Gebot der Stunde. Für Vogler ist die Idee, die Bundeswehr zu einer Verteidigungsarmee umzubauen, »regelrecht aus der Zeit gefallen«. Denn das, was moderne Industriegesellschaften gefährde, nämlich gezielte Angriffe auf Energieversorgung und kritische Infrastrukturen, könne das Militär nicht verhindern. Auf solche Ereignisse lasse sich viel besser mit dem Ausbau ziviler Einrichtungen des Katastrophenschutzes reagieren, so Vogler: »Jeder Euro für die Aufrüstung fehlt im Zivilen, für die wirklichen Herausforderungen.«

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