Klage gegen RWE nimmt Fahrt auf

Ein Bergführer aus Peru prozessiert seit Jahren gegen den deutschen Energiekonzern

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die laufende Klage am Oberlandesgericht Hamm von dem peruanischen Bergführer Saúl Luciano Lliuya gegen den deutschen Energiekonzern RWE sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Die CO2-Emissionen aus der Kohleverstromung sollen mitverantwortlich für die Gletscherschmelze in Peru sein und könnten eine dramatische Flutwelle auslösen. Diese These bekräftigt jetzt eine Studie, die belegt, dass das Flutrisiko in Huaraz erhöht sei. Für Saúl Luciano Lliuya ist das eine »hoffnungsvolle« Nachricht.

RWE, so die Argumentation Lliuyas und seiner Anwältin Roda Verheyen, die von der Umweltorganisation Germanwatch unterstützt werden, sei dafür mitverantwortlich, dass der Palcaraju-Gletscher schmelze und den Wasserpegel in der Palcacocha-Lagune bedrohlich ansteigen lasse. Der See, einige hundert Meter über Huaraz gelegen, drohe überzulaufen, den Damm zum Bersten zu bringen. Die Flutwelle könne Lliuyas Haus im Zentrum von Huaraz wegspülen.

Kein unbegründetes Szenario. Gletscherschmelze, so die zentrale These, sei schließlich eine Folge des Klimawandels, zu dem das Unternehmen RWE mit dem Betrieb etlicher Kohlekraftwerke maßgeblich beitrage. Nur bewiesen werden muss das - kausal und en Detail. Dafür sollte eigentlich eine Gerichtskommission aus Deutschland nach Peru kommen und in Huaraz den See, den Damm und das Haus von Saúl Luciano Lliuya in Augenschein nehmen.

Erwartet hat José Valvidia die Gerichtskommission schon vor mehr als einem Jahr. Doch dann kam Corona, seitdem hat der bärtige Umweltexperte nichts mehr aus Deutschland gehört. Valvidia ist so etwas wie die Leitung nach Deutschland für seinen Freund Lliuya. Als der Bergführer 2015 seine wegweisende Klage gegen den deutschen Energiekonzern angestrengt hatte, knüpfte Valvidia für ihn die Kontakte.

Doch die Visite aus Deutschland könnte jetzt entfallen, denn den entscheidenden Beweis könnten britische und US-amerikanische Klimaforscher*innen mit ihrer Studie geliefert haben, die gerade im Fachmagazin Nature Geoscience erschienen ist. Demnach liegt der Einfluss des Menschen auf die gemessene Erwärmung in dieser Andenregion bei über 85 Prozent. Zu mehr als 99 Prozent sei sicher, dass sich der Rückzug des Gletschers, der zu dem Flutrisiko am dortigen Gletschersee führt, nicht allein mit natürlichen Veränderungen erklären lasse.

Die Studie untermauert die Auffassung der Klägers Lliuya und seiner Hamburger Rechtsanwältin Verheyen. Die fordern von RWE die anteilige Finanzierung von Schutzmaßnahmen ein - gemäß des RWE-Anteils an den Emissionen, die für die menschgemachte Erderwärmung verantwortlich ist. Das sind den Berechnungen zufolge circa 0,5 Prozent. Die Klage ist vom Oberlandesgericht Hamm Ende 2017 als juristisch ausreichend begründet befunden worden. Seitdem steckt der Prozess in der Beweisführung und der Ortstermin am Gletschersee sollte für letzte Klarheit sorgen. Mehrfach wurde er aufgeschoben, ohnehin steht der Vorwurf von Verheyen im Raum, dass die RWE-Anwält*innen alles tun würden, um das Verfahren zu verschleppen.

Das könnte mit der Studie schwieriger werden und die Urteilsfindung erleichtern. Allerdings nicht im Interesse des RWE-Konzerns, der derzeit einen Konzernumbau vornimmt und ein neues grüneres Image anstrebt. Dazu passt weder das Verfahren von Lliuya noch der von RWE selbst angestrengte Prozess gegen die Niederlande. Die niederländische Regierung hat ein Kohleausstiegsgesetz verabschiedet, das bis 2030 greifen soll. Betroffen ist davon auch RWE, der Konzern betreibt dort zwei Kohlekraftwerke. Nun will RWE Milliardenentschädigungen einklagen.

Als Vehikel dient der Energiecharta-Vertrag, der es Unternehmen ermöglicht, Staaten vor intransparenten Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie aufgrund von nationaler Gesetzgebung Einbußen bei Investitionen fürchten. So könnte der Vertrag den Weg für teure Streitbeilegungsverfahren gegen Regierungen ebnen, die gegen den Klimawandel aktiv werden.

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