Alte Zahl bringt neuen Nutzen

Ulrike Henning über die wieder belebte 35er-Inzidenz

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.

Mit den Bund-Länder-Beschlüssen gibt es eine Wiederbegegnung mit einer schon fast vergessenen Bekannten. Die Sieben-Tage-Inzidenz 35 wurde unter dem Vorwand der Virusmutationen reanimiert: Erst wenn stabil nicht mehr als 35 Neuansteckungen je 100 000 Einwohnern in einer Woche gemeldet werden, können Lockerungsmaßnahmen kommen. Der Wert soll Maß dafür sein, ob Gesundheitsämter die Kontakte von Infizierten noch nachverfolgen können. Über 50, hieß es zuvor lange, wäre das nicht mehr zu schaffen. Mit der 35 könnte der öffentliche Gesundheitsdienst dem Ansteckungsgeschehen noch auf der Spur bleiben und Quarantänemaßnahmen verhängen.

Aber Pandemie ist nicht erst seit gestern. Die Gesundheitsämter scheinen wenig mehr belastbar als am ersten Tag, personelle Hilfe der Bundeswehr und anderer Verwaltungen hin oder her. Die vorgesehene und empfohlene Software sei erst in 30 Prozent der Ämter im Einsatz, hieß es im Januar. Die wollten nichts an ihren (analogen) Abläufen ändern, wenn die erst einmal eingespielt sind, so eine Erklärung. Die Unbeweglichkeit der Ämter, ihre Scheu vor der Digitalisierung, soll also am Ende mit darüber entscheiden, ob es überhaupt absehbar Lockerungen gibt? Es ist bezeichnend, dass sich Bund und Länder mit ihrer Aufwertung der 35 ebenfalls darauf zurückziehen.

Monat um Monat ist verstrichen, ohne dass sich der öffentliche Gesundheitsdienst - trotz verschiedener, auch finanzieller Unterstützung - erneuert hätte. Schon gibt es Politiker, die für eine 10er- oder 25er-Inzidenz votieren. Scheinbar will die Bundesregierung nur eines vermeiden: beim Öffnen scheitern und das auch noch direkt vor der Bundestagswahl. Deshalb Lockdown bis Anfang September. Grenzwerte sind ja flexibel einsetzbar.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.