Die Bildhauerin, die Ärztin und die Nazis
Frauen-Geschichte(n): Hertha von Guttenberg und Ärztin Margarete Blank
Ihre beider Lebenswege könnten kaum unterschiedlicher sein. Und doch stehen sie gleichermaßen für viele Frauenschicksale im emanzipationsfeindlichen und gewalttätigen 20. Jahrhundert.
Die namhafte Bildhauerin Hertha von Guttenberg, geboren am 22. Februar 1896 als Hertha Cornilsen in ein betuchtes Elternhaus, offenbarte früh ihre künstlerischen Neigungen. Ab 1913 besuchte sie eine private Kunstschule in Berlin-Charlottenburg. Kunststudien an Akademien waren jungen Frauen damals noch untersagt. Dank ihrer Begabung durfte sie dann doch an der Berliner Kunstgewerbeschule studieren: zu ihren Lehrern gehörten Lovis Corinth und Hans Baluschek sowie Otto Hitzberger, ein nicht nur deutschlandweit bekannter Holz- und Steinbildhauer, dessen Kunst die Nazis später als »entartet« diffamierten. Hitzberger wies von Guttenberg den Weg zur künstlerischen Erfüllung als Bildhauerin.
Während ihrer Studien hatte sie den Botaniker Hermann von Guttenberg kennengelernt; sie heirateten 1922 und gingen zusammen nach Rostock, wo er als Professor an der Universität lehrte, den Botanischen Garten zur Blüte führte und immer wieder längere Forschungsreisen bis auf Ceylon und Sumatra unternahm. Hertha von Guttenberg verbrachte ab 1924 - mit oder ohne Ehemann - die Sommer stets in Ahrenshoop, das einen Ruf als Künstlerkolonie besaß. Sie wurde Mitglied der 1919 gegründeten Vereinigung Rostocker Künstler, zu der unter anderem Walter Butzek, Egon Tschirch, Rudolf Bartels, Bruno Gimpel, Thuro Balzer und die Bauhäuslerin Dörte Helm zählten. Hertha erlangte insbesondere mit ihren Büsten von bekannten Persönlichkeiten überregionale Bekanntheit, darunter der Dirigent Wilhelm Furtwängler, der Arzt und Philosoph Albert Schweitzer sowie Rabindranath Tagore, bengalischer Dichter, der 1913 den Nobelpreis für Literatur erhielt.
Diese lebensnahen Porträts katapultierten sie in die erste Reihe der deutschen Bildhauerei. Zu den Nazis ging von Guttenberg auf Distanz, absolvierte wie ihr Mann eine politische Gratwanderung, um sich um so mehr nach 1945 für den demokratischen Neubeginn zu engagieren. Während ihr Mann, der wie sie als »unbelastet« galt, weiter das Botanische Institut in Rostock leitete, eilte seine Frau künstlerisch zu neuen Ufern. Sechs Jahre nach dem Tod ihres Mannes zog sie 1975 zu ihrer Tochter nach München, wo sie mit 94 Jahren starb. Ihr ehemaliges Wohnhaus in Ahrenshoop lockt normalerweise alljährlich viele Besucher an.
Für einen anderes, abrupt beendetes und ebenfalls nicht untypisches Frauenleben im »Jahrhundert der Extreme« (Eric Hobsbawm) steht Margarete Blank. Sie stammte aus Russland und hatte deutsch-baltische Eltern, mit denen sie 1919 nach Deutschland übersiedelte. Nach dem Medizinstudium in Leipzig und dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit praktizierte sie ab 1927 in Panitzsch, nahe der Messestadt. Sie hasste die Nazis, war eine überzeugte Antifaschistin und betreute in der NS-Zeit politisch und rassisch Verfolgte sowie Kinder verhafteter Nazigegner. Nach einer Denunziation als »bolschewistische Spionin« verhaftet und zum Tode verurteilt, wurde Margarete noch im Februar 1945, kurz vor der Befreiung vom Faschismus, hingerichtet. Doch die Erinnerung an sie lebt weiter. Außer in Panitzsch, ihrer Hauptwirkungsstätte, tragen auch in anderen Orten medizinische Einrichtungen, Seniorenzentren und Straßen ihren Namen. Und die medizinische Fakultät der Leipziger Universität vergibt im Gedenken an ihre einstige Studentin regelmäßig einen Preis.
Geboren vor 120 Jahren, am 21. Februar 1901 in Kiew als Tochter eines Ingenieurs und einer Zahnärztin, eröffnete sie 1929 eine eigene Landarztpraxis in Panitzsch. Das erhalten gebliebene, einem Bungalow ähnliche Haus ist heute eine Gedenkstätte. Blank betreute dort eine wachsende Anzahl von Patienten, zu denen vor allem Juden und Linke gehörten. Nebenbei promovierte sie bei Henry E. Sigerist, einem bekannten Medizintheoretiker und Historiker aus der Schweiz. Die couragierte Ärztin starb am 8. Februar 1945 im Hof des Landgerichts in Dresden, eine Woche, bevor britische und US-amerikanische Bomberverbände die Elbmetropole in Schutt und Asche legten. Ihr Denunziant, ein Kollege, kam dabei ums Leben.
Außer dem Blank-Haus erinnern an Margarete Blank heute in Panitzsch ein Gedenkstein, eine Straße und eine gleichnamige Grundschule.
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