Mehr Parameter berücksichtigen

Fachleute unterstützen Thüringer Corona-Stufenplan

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 2 Min.

Während der jüngsten Bund-Länder-Beratungen zur Coronakrise wurde zwar über die Wiedereröffnung von Friseurläden und anderen Geschäften gesprochen. Die Stufenpläne zum Umgang mit der Pandemie anhand klarer Parameter, wie sie Thüringen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vorgelegt haben, waren dagegen kein Thema - was für hörbaren Unmut bei Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sorgte.

Was verständlich ist, denn nicht wenige Wissenschaftler unterstützen die Definition von Voraussetzungen, unter denen bestimmte Maßnahmen verschärft oder gelockert werden können. In diese Richtung äußerten sich jüngst von der Grünen-Fraktion im Erfurter Landtag zu einem Fachgespräch geladene Experten. Sie forderten, mit Hilfe eines Stufenplans zu definieren, was in der Coronakrise bei einem bestimmten Infektionsgeschehen erlaubt und was nicht erlaubt sein soll, wobei sich die Referenten mit konkreten Handlungsvorschlägen zurückhielten.

Die Kommunikationswissenschaftlerin und Medizinerin Petra Dickmann betonte, die Welt werde noch lange mit der Pandemie leben: »Man sollte sich darauf einstellen, dass die sich nicht mit Luftanhalten lösen lässt.« Dickmann wirkt unter anderem in einer Arbeitsgruppe zur »Risikokommunikation« am Uniklinikum Jena mit. Sie warnt gleichwohl vor vorschnellen Lockerungen. Es sei falsch, sie allein mit der Begründung zu erlauben, dass es genügend freie Intensivbetten für Corona-Patienten gebe, so Dickmann. Einerseits bringe Covid-19 für viele Erkrankte langfristige Folgeschäden mit sich, deren Ausmaße noch nicht abzusehen seien. Andererseits stehe nicht jedes als frei gemeldete Intensivbett tatsächlich auch zur Verfügung.

Die Psychologin Nicole Harth von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena befürwortete Stufenpläne, weil diese den Menschen immerhin ein »Selbstwirksamkeitsgefühl« gäben. Denn wenn der Lockdown ohne echte Langzeitperspektive Woche um Woche verlängert werde, verlören zu viele den Glauben daran, dass sie den Verlauf der Pandemie wirklich beeinflussen können. Der Effekt: Die Zahl derer, die Corona-Regeln missachten, würde wachsen, so Harth. Wenn Menschen aber wüssten, dass bei einer bestimmten Infektionslage Treffen mit mehr Angehörigen, Besuche in Restaurants oder Mannschaftssport möglich seien, motiviere das eher, durch Einhaltung der bekannten Regeln mitzuhelfen, die Infektionszahlen zu senken. Sie fühlten sich dann weniger nur als Opfer der Krise, so Harth.

Die Wissenschaftler auf der Tagung warnten einerseits vor zu schnellen Lockerungen, plädierten aber zugleich dafür, nicht nur auf Inzidenzwerte zu schauen, also auf die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von einer Woche. Die Frage, wie viele Intensivbetten zur Verfügung stehen, müsse ebenso berücksichtig werden wie der Anteil der positiven Tests im Verhältnis zur Zahl der Testungen, sagen sie.

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