Werbung

Nicht nur für den Eigenbedarf

Die Ukraine tritt verstärkt als Exporteur von Rüstungsgütern auf

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Auch jenseits der Probleme um die Besetzung der Krim sowie der Kämpfe in der Ostukraine lassen Moskau und Kiew nichts aus, um die Eiszeit zwischen den einstigen Sowjetrepubliken zu pflegen. Jüngst verhaftete der ukrainische Geheimdienst SBU einen angeblichen Spion des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Er soll versucht haben, technische Unterlagen über die Entwicklung und Produktion des ukrainischen Kampfpanzers T-84BM »Oplot« zu beschaffen.

Noch vor wenigen Jahren wäre so ein »Hochverrat« absurd gewesen. Das Land erbte zwar mit der Unabhängigkeit 1991 ein reichliches Viertel der gesamten sowjetischen Rüstungsindustrie, doch was von den Bändern lief, war zumeist nur ein leicht kaschierter Nachbauten von Technik, die in vielen Arsenalen ex-sowjetischer Staaten rostet. Dennoch verstand es die dollarhungrige Ukraine, allerlei Gerät in asiatischen und afrikanischen Staaten loszuschlagen. Zwischen 2001 und 2018 gehörte das Land - laut der Datenbank des Friedensforschungsinstituts SIPRI - zu den fünfzehn größten Rüstungsexporteuren der Welt. Nachdem die Regierung in Kiew 2008 eine Strategie zur Entwicklung der Rüstungsindustrie verabschiedet hatte, gelang es bei einigen Waffensystemen neue Produktionsketten aufzubauen. Die dienen keineswegs nur der Modernisierung der auf Natostandard getrimmten ukrainischen Streitkräfte.

»Wir aktualisieren ständig die Produktionskapazitäten, verbessern die Technologien und biete eine hohe Qualität«, sagte Juri Gusev, CEO der Panzerschmiede Ukroboronprom, als er dieser Tage auf der in Abu Dhabi laufenden IDEX-Rüstungsmesse einen Auftrag zur Modernisierung der 320 vor Jahren in der Ukraine gefertigten und an Pakistan gelieferten T-80-Tanks unterschrieb. Auch andere von ukrainischen Firmen auf der IDEX feilgebotene Tötungsmaschinen sind auf hohem technischem Niveau. Dazu gehören der BTR-4-Radpanzer sowie zahlreiche Zulieferungen wie Triebwerke oder Raketen.

Natürlich stellen diese Waffen und Geräte keine ernstzunehmende Bedrohung für die russische Armee dar, doch werden sie in Moskau dennoch als Gefahr wahrgenommen. Glaubt man ukrainischen Experten, so hat Russland vor allem in Ägypten, Algerien, Indien, Peru, Nigeria, Tschechien, Indonesien, Bangladesch und Saudi-Arabien eine Kampagne gestartet, um die Ukraine als unseriösen Lieferanten darzustellen. Die Firmen des Landes würden mit minderwertigen und vom ursprünglichen Entwickler in Russland nicht lizenzierten Produkten handeln - was diese natürlich abstreiten.

Wer glaubt, dass die neuen Kriegsgeräte allein ukrainischer Ingenieurkunst zu danken sind, irrt. Zwar schottet sich die Ukraine bestmöglich gegen russische Neugier ab, umso lieber liefert man aber Muster in die USA. Dazu gehören T-84-Panzer wie Satellitenaufnahmen belegen, als auch neue Radargeräte. Die ukrainischen Militärgüter werden von US-Spezialisten getestet und optimiert. Auch diese Dienstleistung geschieht auf Basis eines 2016 zwischen dem heutigen US-Präsidenten - damals war Joe Biden noch Vize von Obama - und dem damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vereinbarten Abkommens zur verstärkten militärischen Zusammenarbeit.

Auch andere Nato-Staaten sind an Technologietransfers beteiligt. So hat Kiew 2019 die ersten türkische Bayraktar-TB2-Drohnen geordert und im Herbst 2020 weitere 48 geordert. Auf der gerade laufenden Militärmesse in Abu Dhabi zeigt die Ukraine, was sie gelernt hat. Man bietet eine eigene Entwicklung an, die Sokil-300-Drohne, die vier Lenkraketen abfeuern kann und wesentlich billiger als vergleichbare Mordmaschinen ist. Nun entwickeln türkische und ukrainische Spezialisten gemeinsam Marschflugkörper.

Jüngst wurden aus Tschechien hochmoderne Artilleriesysteme geliefert; man kann sicher sein, dass die Ukraine schon bald eigene Entwicklungen vorstellen wird. Gemeinsam mit Israel werten ukrainische Firmen MiG-Kampfjets auf. Noch sucht man einen potenten Partner, um die Produktion von Antonow-Transportern wieder in Schwung zu bringen. Auch maritim mischt der Schwarzmeeranrainer Ukraine mit. Nachdem man zunächst aus den USA gebrauchte Patrouillenboote bezog, schloss Kiew im Herbst 2020 mit London einen Vertrag über den Bau von acht Schnellbooten im Wert 1,61 Milliarden US-Dollar ab. Die ersten beiden werden in Großbritannien, die restlichen von ukrainischen Werften gebaut. Auf Grundlage dieses Vertragsmodells wurde man sich auch mit der französischen Ocea-Werft einig. Dabei geht es um 20 Patrouillenboote. Fünfzehn davon werden geliefert, fünf weitere entstehen im ukrainischen Mykolajiw. Noch ist unklar, wer was zuliefert, doch dass die Türkei und die Ukraine gemeinsam Korvetten herstellen und vermarkten, ist bereits beschlossene Sache.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.