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Auf den Dreck kommt es an
Humusaufbau und Pflanzenkohle fördern Bodengesundheit und Erträge und dienen gleichzeitig dem Klimaschutz.
Die Bedeutung des Bodens für den globalen Kohlenstoffkreislauf ist enorm: Weltweit speichert er nach Angaben des Thünen-Instituts rund viermal so viel Kohlenstoff wie die oberirdische Vegetation und mehr als doppelt so viel wie die Atmosphäre. Dabei spielt der Humus, die organische Bodensubstanz, eine zentrale Rolle. Auch verbessert dieser das Bodenleben, die Fruchtbarkeit und die Wasserspeicherkapazität des Bodens und damit die Ernteerträge.
Gernot Bodner, Privatdozent an der Universität für Bodenkultur Wien, sieht im Humusaufbau ein großes Potenzial: »Es gibt Schätzungen, dass Ackerböden in der zehntausendjährigen landwirtschaftlichen Geschichte 40 bis 60 Prozent ihres Humus verloren haben«, erklärt er auf den diesjährigen Humustagen im österreichischen Kaindorf. Diesen gelte es wieder herzustellen. Anders als lange Zeit gelehrt wurde, sei dafür vor allem zweierlei notwendig: die Förderung der Bodenstruktur und die der Mikroben.
Verkohlen für besseren Boden
Bodner unterstreicht dabei die Wichtigkeit einer ganzjährigen Bodenbedeckung mithilfe von Unter-, Zwischen- und nicht abfrierenden Wintersaaten. Sie verhinderten eine Hitzesterilisierung des Bodens im Sommer und bieten Nahrung für die Mikroorganismen. Besonders bewährt haben sich dabei Gräser mit einer großen unterirdischen Wurzelmasse. Als weitere wichtige Instrumente nennt Jochen Buchmaier, Leiter des Humusaufbauprojekts in der Ökoregion Kaindorf, eine möglichst hohe Vielfalt an Pflanzen und eine schonende Bodenbearbeitung. Eine Zugabe von Kompost oder Pflanzenkohle könne den Humusaufbau beschleunigen.
Pflanzenkohle wird mittels Pyrolyse hergestellt. Dabei wird möglichst holzige Biomasse unter Abwesenheit von Sauerstoff auf mehrere Hundert Grad Celsius erhitzt. Als Nebenprodukte entstehen Biogas und Bioöl, die als erneuerbare Energieträger genutzt werden können. Wird die Pflanzenkohle in den Boden eingearbeitet, kann sie dem globalen Kohlenstoffkreislauf langfristig Treibhausgase entziehen. Damit zählt sie ebenfalls zu den sogenannten Negativemissionstechnologien (NET), die helfen sollen, die Pariser Klimaziele noch einzuhalten. (»nd« berichtete am 6. 2. 2021)
»Theoretisch ist ihr Potenzial unbegrenzt«, versichert Bruno Glaser, Professor für Bodenbiogeochemie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die von den Agrotreibstoffen bekannte Konkurrenz Teller-Tank gelte es jedoch zu vermeiden. Deshalb empfiehlt er, für die Herstellung von Pflanzenkohle nicht eigens Biomasse anzubauen: »Wenn man nur Pflanzenreste (wie etwa Astschnitt - Anm. d. Red.) nimmt, könnte die Nutzung von Pflanzenkohle rund 10 Prozent der europaweiten CO2-Emissionen kompensieren.« Die größten Biomassemengen produzieren allerdings tropische und subtropische Agrarsysteme. Hans-Peter Schmidt vom Schweizer Ithaka-Institut, sieht darin die Chance für Klimapartnerschaften mit Ländern im globalen Süden. Besonders wichtig sei es jedoch, die Synergien dieser Technologie zu erkennen. Schmidt spricht in diesem Kontext von »intelligenten Stoffkreisläufen, keiner reinen Klimatechnologie«.
Tatsächlich sind es ihre weiteren Eigenschaften, die die Pflanzenkohle für die Landwirtschaft interessant machen. Als ein wesentlicher Bestandteil der Terra Preta stellten sie unsere menschlichen Vorfahren im Amazonas und in anderen Teilen der Welt vornehmlich her, um den Boden fruchtbarer zu machen. Glaser hat alle verfügbaren Metaanalysen zum Thema Pflanzenkohle ausgewertet. Danach steigert ihr Eintrag im Boden die Erträge um durchschnittlich 10 Prozent, das Baumwachstum um 40 Prozent, die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens um 20 Prozent und die Phosphorverfügbarkeit um ganze 800 Prozent. Gleichzeitig sinkt die Nitratauswaschung um 60, und der Lachgasausstoß des Bodens um 90 Prozent. Dies gelte es bei der Ökobilanz mitzurechnen.
Noch mangelt es an Investor*innen bei der Herstellung: »Die Technologie ist noch zu teuer, weil bislang nur Einzelanlagen gebaut werden«, erklärt Schmidt. Auch ist der Einsatz von Pflanzenkohle hierzulande - anders als in der Schweiz und Österreich - in der Landwirtschaft bislang nur begrenzt zugelassen. Im deutschen Düngerecht ist nur aus chemisch unbehandeltem Holz gewonnene Kohle als Trägermaterial und Ausgangsstoff zur Herstellung von Kultursubstraten erlaubt. Eine breite Anwendung sei nach derzeitigem Kenntnisstand für die Pflanzenernährung sowie Erhalt und Förderung der Funktionalität landwirtschaftlicher Böden »nicht mit Vorteilen verbunden«, heißt es seitens des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL). Wie sich der Einsatz von Pflanzenkohle langfristig auf die organische Bodensubstanz und die Nährstoffverfügbarkeit auswirke, müsse man noch prüfen.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat im Rahmen ihres Schwerpunktprojekts (SPP) 1689 im Zeitraum von 2013 bis 2020 Risiken und Nebenwirkungen von Climate Engineering und Negativemissionstechnologien untersucht und ihre Ergebnisse in einer Broschüre veröffentlicht. Dabei beschäftigt sie sich auch mit der Nutzung von Pflanzenkohle. Anders als das BMEL betont sie auch deren bodenverbessernde Eigenschaften, indem sie die Fähigkeit des Bodens steigere, Wasser und Nährstoffe zu halten. Als Kohlenstoffspeicher habe sie - gegenüber der Bioenergie-Kohlendioxidabscheidung und -lagerung (BECCS) - den Vorteil, dass dafür nicht eigens Pflanzen angebaut werden müssten. »Um Kohlendioxid im Milliarden-Tonnen-Maßstab binden zu können, wäre die dafür benötigte Fläche (aber auch hier) sehr groß.«
Treibhausgase reduziert
Auch der Beitrag einer Erhöhung des Boden-Kohlenstoffs mittels Humusaufbau findet als NET in der Broschüre der DFG Beachtung: »Gemäß unterschiedlichen wissenschaftlichen Schätzungen könnten Böden weltweit durch angepasste landwirtschaftliche Techniken jährlich 0,7 bis elf Milliarden Tonnen Kohlendioxid speichern. Der Unsicherheitsbereich ist allerdings groß, da unklar ist, wie permanent die Speicherung ist und welche Rolle Einmaleffekte, zum Beispiel beim Umschalten von tiefem auf flacheres Pflügen, spielen.«
Auch auf den Humustagen 2021 herrschte Einigkeit darüber, dass weder Humusaufbau noch Pflanzenkohle allein die Klimaprobleme der Menschheit lösen werden. Dies könne nur in einem Zusammenspiel verschiedener Negativemissionstechnologien gelingen, verbunden mit einer schnellen und drastischen Reduktion der Treibhausgasemissionen. Dabei gelte es, alle positiven Eigenschaften der verschiedenen Technologien miteinzubeziehen. »Indem der Einsatz von Pflanzenkohle (speziell in Subtropen und Tropen) eine Ertragssteigerung bewirkt, kann sie den Druck auf Land verringern«, so die Leiterin des Instituts für angewandte Ökologie an der Hochschule Geisenheim, Claudia Kammann, die auch als Expertin an der SPP 1689-Broschüre beteiligt war. Bei einer weiter steigenden Weltbevölkerung und Flächenkonkurrenz ist dieser Punkt nicht zu unterschätzen.
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