Söder surft auf der Corona-Welle

Der bayerische Ministerpräsident ist im März drei Jahre im Amt

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 5 Min.

Söder. Ein Name, dessen Zusammenballung in zwei Silben etwas literarisch-schicksalhaftes aneignet, freilich in seiner Gedrängtheit auch etwas bedrohlich-körperliches. Er könnte den bayerischen »Kommissar«-Fernsehkrimis aus den 1970er Jahren entsprungen sein: »Da Söder war‘s …«. In der Tat, manchmal, wenn es der Zufall oder die Perspektive der Kamera will, hat Markus Söder einen beunruhigenden Ausdruck im Gesicht. Mit den dichten, hochgezogenen Augenbrauen, den funkelnden Augen und dem leicht sardonischen Zug um den Mund erschien der 1,94-Meter-Mann noch vor drei Jahren als wahrhafte Verkörperung der Eigenschaften, die ihm seine politischen Gegner zuschrieben. Dass er ein Machtmensch sei, dessen politischer Hauptinhalt vor allem in der eigenen Karriere bestehe. Inzwischen, seit er bayerischer Ministerpräsident ist, und noch mehr, seit er als oberster Retter den Ritter im Kampf gegen den Corona-Drachen gibt, haben sich seine Gesichtszüge verändert, scheint das Gewicht der Macht und Verantwortung die Falten nach unten zu ziehen, wirkt er am Abend in der Tagesshow nach stundenlangen Beratschlagungen mit der Kanzlerin müde.

Söder, der Name steht auch für eine Veränderung innerhalb der CSU, die man so nicht unbedingt erwartet hätte. Der kernige Franke im Janker ergäbe zusammen mit Ilse Aigner (ehemalige stellvertretende Ministerpräsidentin) im Dirndl die bayerische Ken- und Barbie-Variante, wie sie im grünen, bundesweiten Bereich Robert Habeck und Annalena Baerbock darstellen. Das schwarz-grüne Bündnis, in Baden-Württemberg Realität, baut sich in Bayern und auch im Bund mit eigener politischer Logik nach und nach, aber stetig auf wie Cumuluswolken am weißblauen Himmel. Coronamäßig zum Beispiel liegt man auf einer Linie. Söder, der in alter bayerischer Tradition noch immer gerne eins drauf legt, prescht im Bund regelmäßig nach vorne, was Lockdown-Maßnahmen angeht, etwa bei der FFP2-Maskenpflicht. Was ihm aber Applaus bei den Grünen-Wählern einbringt. So meldete im Januar der Bayerische Rundfunk: »Der Corona-Kurs der Staatsregierung kommt bei Grünen-Anhängern besonders gut an - das zeigt der jüngste BayernTrend.«

Den Kurs finden immerhin 68 Prozent der Grünen-Wähler gut. Sie stehen nach den CSU-Anhängern (mit 83 Prozent Zufriedenheit) damit am stärksten hinter der bayerischen Corona-Politik. Der Sender: »Gerade im Bundestagswahljahr 2021, in dem sich die politische Debatte noch häufiger um schwarz-grüne Schnittmengen drehen dürfte, sticht dieses Ergebnis ins Auge.« Auch sonst begünstigt Corona eher die bestehenden Verhältnisse: Im April 2020 wäre die CSU bei einer Landtagswahl auf 44,1 Prozent und damit in die Nähe der absoluten Mehrheit gekommen, so Umfragen - bei der Wahl im Oktober 2018 war die Partei noch bei 37,2 Prozent gelandet. Anfang Januar 2021 lag die Zustimmung laut »BayernTrend« sogar bei 48 Prozent.

Bei der »Süddeutschen Zeitung« macht man sich schon mal Gedanken, wie Söder als Bundeskanzler in den Berliner Reichstag einziehen könnte, jedenfalls musikalisch gesehen. Bayerischer Defiliermarsch eher nicht, man bringt dafür die Bundeswehrkapelle und die Star Trek-Titelhymne ins Spiel. Das soll eine witzige Anspielung auf ein Foto sein, dass zwei Zeitungsseiten zuvor Söder in einem Star-Trek-Pullover und einem Plastikmodell des TV-Raumschiffs in der Hand zeigt. Was grundsätzlich nicht verwundert, kennen wir Söder doch von seinen Auftritten beim Fasching im fränkischen Veitshöchheim, der vom Fernsehen übertragen wird. 2012 verkleidete er sich als Punker mit Irokesenfrisur, was vielleicht darauf hindeutete, dass er gerne als junger Rebell das CSU-Establishment aufmischen würde (als 16-jähriger Gymnasiast trat er der Jungen Union bei, statt wie bei anderen Jungs die Rockbands, hing über seinem Bett im Nürnberger Dachgeschosszimmer ein Poster von Franz Josef Strauß). 2013 kam er als »Drag Queen«, ein Jahr später als die grüne Fantasiefigur Shrek. 2015 kam Söder (Vater von vier Kindern) als Mahatma Gandhi, 2016 gar als Edmund Stoiber, was von einem gewissen fränkischen Humor zeugt.

Oder von seinem damaligen Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt. »Es ist halt immer wieder so, dass manche sich beim Fasching eine Traumwelt aufbauen«, meinte damals Amtsinhaber Horst Seehofer zu den Faschingsambitionen seines Finanzministers, die freilich seit 16. März 2018 Wirklichkeit geworden sind. Doch diese spaßigen Jahre sind vorbei, seit Corona gibt es keinen Fasching mehr und Söder hat alle Hände voll zu tun mit seiner neuen Maske als strenger, aber guter Landesvater. Dass er öfters davon spricht, »die Zügel anzuziehen«, wenn er die Bürger meint, die ja keine Pferde sind, passiert auch anderen Politikern.

Söder ist ein Mann der Selbstinszenierung, wie man beim Besuch von Bundeskanzlerin Merkel auf Schloss Herrenchiemsee im Juli 2020 sehen konnte: Kabinettsitzung im Spiegelsaal, Kutschenfahrt, Bootstour auf dem Chiemsee - auch die »Washington Post« berichtete über die 120 000 Euro teure Veranstaltung. Sich als Mann der Tat inszenieren, das war auch Söders Marschroute auf dem Felde der Corona-Bekämpfung - manche Beobachter sehen es als Testlauf für die Kanzlerkandidatur der Union. Was brachte da der bayerische Ministerpräsident nicht alles in Gang, was dann freilich so vor sich hinstolperte. Öffentliches Alkoholverbot und 15-Kilometer-Begrenzung, die von den Gerichten kassiert wurden oder Pannen bei Testzentren an den Autobahnen - einige Beispiele für eher blinden Aktivismus. Auf Söders Pose, er sei doch der größte Corona-Bekämpfer bundesweit, reagiert der Rest der Bundesrepublik schon mal empfindlich. Er - Söder - könne ihm gerne wieder die Welt erklären, wenn Bayern mal zehn Tage in Folge einen Inzidenzwert von weniger als 50 habe, twitterte im November Heiner Garg (FDP), Gesundheitsminister von Schleswig-Holstein. Und anders als Söder vermeidet es der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet, permanent den Corona-Knüppel aus dem Sack zu holen.

In einigen Wochen kann Söder auf drei Jahre im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten zurückblicken, wobei die Zeit der Pandemie sicherlich den markantesten Abschnitt bildet. In diesen drei Jahren ist sich Bayern treu geblieben, was etwa die relativ gnadenlose Abschiebung von Flüchtlingen anbelangt. Eine darüber hinausgehende Bilanzierung fällt etwas schwer in einer Zeit, in der sämtliche Lebensbereiche durch die Corona-Maßnahmen radikal umgekrempelt werden. Am ehesten ließe sich Söder aktuell als ein strategischer Modernisierer der CSU kennzeichnen, der mit seinen 54 Jahren die jüngeren Generationen vertritt und der mit Frauenquote und grünen Themen auf das wachsende Lager der Grünen-Wähler schielt. Ob er schon bereit ist, mit oder ohne Defiliermarsch in den Bundestag einzuziehen, ist derzeit noch völlig offen.

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