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Spargelbauern hoffen auf Reisefreiheit
Die Agrar- und Gartenbaubetriebe brauchen Saisonkräfte zum Überleben - sie hoffen auf offene Grenzen
Der Februar ist rum, doch das Auf und Ab der Witterung in den vergangenen Wochen lässt noch keine belastbaren Aussagen darüber zu, wann rund um Beelitz der »richtige« Spargel auf den Feldern schießt.
»Wir gehen davon aus, dass offizieller Saisonstart, der Spargelanstich in Beelitz, am 8. April sein wird«, sagt Jürgen Jakobs dem »nd«. Er ist Vorsitzender des Beelitzer Spargelvereins, in dem sich 14 Höfe und die Kleinstadt Beelitz (Potsdam-Mittelmark) zusammengeschlossen haben. »Das hängt ein bisschen vom Wetterverlauf ab. Vor zwei Wochen, in Eis und Schnee, hätte ich gesagt, wir beginnen ganz spät im April. Jetzt sieht das gerade wieder etwas anders aus.«
Es ist das zweite Frühjahr unter den Bedingungen der Corona-Pandemie, die nicht nur den Spargelbauern in der Region beinahe einen Strich durch die gesamte Rechnung gemacht hätte. Denn vor knapp einem Jahr war überhaupt nicht klar, ob genügend Saisonarbeitskräfte ins Land kommen würden.
Jürgen Jakobs und sein Bruder Josef betreiben Spargelhöfe in Beelitz und Schäpe. Von ihren 350 Saisonkräften sind 15 Prozent schon angereist. »Mitte März wird ein Drittel da sein, denn wir müssen vorbereitende Arbeiten verrichten«, sagt er zuversichtlich.
Die Höfe sind auf Tausende, am besten bereits eingearbeitete Erntehelfer angewiesen. Sie kommen aus Rumänien, Polen und Osteuropa. »Bei den Mitgliedern des Spargelvereins sind es in diesem Jahr um die 2500, in ganz Brandenburg mehr als 5000«, sagt Jakobs. Vor allem zu Beginn kamen 2020 viel weniger. Denn vor einem Jahr waren wegen der Virusinfektion mit einem Mal die Grenzen in Europa dicht. Und als Ersatz kurzfristig in Aussicht gestellte deutsche Arbeitskräfte zum Beispiel aus dem Kulturbereich und der Gastronomie oder auch Studenten kamen zu wenige. Sie mussten angelernt werden und hielten dann oft nicht durch. Bundesweit kamen zwischen 25. März und 15. Juni von 80 000 erwarteten Saisonkräften nur 40 3018. Um den Mangel auszugleichen, hatten Bundesarbeits- und Bundesagrarministerium unter anderem eine längere Aufenthaltsdauer und längere Wochenarbeitszeiten vereinbart. So durften Saisonkräfte bis zu 115 statt der zuvor zugebilligten 70 Tage sozialversicherungsfrei beschäftigt werden.
Und diesmal? »Die Leute wollen unbedingt arbeiten kommen, weil ja durch Corona überall, auch in den anderen Ländern, wirtschaftliche Einbußen auftreten«, erläutert Jakobs. Für viele sei daher die Arbeit in Deutschland existenziell. »Wir haben ausreichend Nachfragen aus Rumänien und Polen, und die bereits eingereisten Leute haben alle im Heimatland einen Corona-Test gemacht und dann im Internet die Unterlagen eingereicht. Das hat bisher problemlos geklappt«, sagt er. Sorgen bereite manchem, dass es angesichts der Virus-Mutationen erneut zu Grenzschließungen kommen könnte. »Im Moment gehen wir davon aus, dass die Leute ihren Job bei uns antreten können.«
Der Landesbauernverband Brandenburg teilte mit, dass es eigentlich noch zu früh sei, Voraussagen zu treffen. Man benötige eine fünfstellige Zahl von Erntehelfern im Land. Dazu gebe es im März noch Gespräche.
Gesprächsbedarf besteht bei der Aufenthaltsdauer der Saisonkräfte. Der Deutsche Bauernverband, der sich auf ein »breites Bündnis von Agrarverbänden« beruft, hat Mitte Februar die Bundesregierung aufgefordert, die Grenzen für ausländische Saisonarbeitskräfte weiter offen zu halten und wie schon 2020 erneut die versicherungsfreie Beschäftigung für bis zu 115 Tage zuzulassen. Ohne die ausländischen Helfer könnten wich᠆tige, jetzt anstehende Arbeiten im Betrieb und auf dem Feld nicht erledigt werden. Das gefährde in der Konsequenz die Versorgung der Bevölkerung mit frischen Lebensmitteln, erklärte dieser Tage Verbandspräsident Joachim Rukwied.
Jakobs weiß, dass es dem Land und vor allem den Gewerkschaften lieber wäre, wenn in der Spargelernte eher einheimische Arbeitskräfte in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kämen. »Wenn Corona weiter zurückgedrängt wird und es keine Reisebeschränkungen gibt, dann glauben wir schon, dass wir genügend Erntehelfer kriegen«, sagt er. Der Antrag, Leute - wenn man sie schon im Land habe - auch länger beschäftigen zu können, ergibt aus seiner Sicht in Corona-Zeiten Sinn. Denn wie sich im letzten Jahr gezeigt habe, laufe man sonst womöglich Gefahr, am Ende ganz ohne Arbeitskräfte da zu stehen.
»Wir haben coronabedingt deutlich höhere Aufwendungen gehabt«, so der Vereinsvorsitzende. »Die Verbände haben versucht, ihren Mitgliedern Aufwandsentschädigungen zukommen zu lassen.« Pro Saisonkraft seien 2020 im Schnitt Mehrkosten zwischen 600 und 800 Euro entstanden. So habe allein die Anreise mit eigens gecharterten Flugzeugen statt mit Bussen rund 300 statt 150 Euro pro Kopf gekostet. Das werde sich hoffentlich wieder normalisieren. Andererseits habe man zusätzliche Quartiere anmieten müssen, weil die Mitarbeiter coronabedingt maximal in Zwei-Bett-Zimmern untergebracht werden dürfen. Für die Fahrt zum Feld dürften die Busse nur halb ausgelastet sein, man habe dafür sogar billige Gebrauchtwagen angekauft. Und es werde streng auf die Einhaltung der Hygienevorschriften geachtet.
Auf das Frühjahr blickt der Spargelunternehmer mit Sorgen. »Wir hoffen natürlich darauf, dass die Gastronomie bald öffnen darf. Realistisch betrachtet, ist es vielleicht erst nach Ostern soweit«, sagt Jakobs. Die Belieferung der Restaurants, Märkte und Läden macht den Großteil des Geschäfts aus. Der Jakobshof baut auf 250 Hektar Spargel an, doch der Ertrag ging 2020 zurück. Auf 50 Hektar reifen im Juni Heidelbeeren, auf zwei Hektar wachsen Kürbisse. Im Hofladen, im Verkauf, im Catering und in zwei eigenen Restaurants arbeiten 500 Menschen pro Saison.
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