Erst öffnen, dann impfen

Gewerkschaft und Träger kritisieren Pläne der Senatsbildungsverwaltung zu den Kita-Öffnungen

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ankündigung von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), den Notbetrieb in den Berliner Kitas zu beenden, hat in vielen Familien für große Erleichterung gesorgt. »Wir sind an und für sich froh, dass nun zuerst an die Kinder gedacht wurde«, sagt Corinna Balkow, Vorsitzende des Landeselternausschusses Kita. Wie berichtet, werden die seit Januar geltenden Beschränkungen für den Kita-Besuch zum kommenden Dienstag aufgehoben. Unabhängig vom Beruf der Eltern oder dem Alleinerziehendenstatus haben somit alle Kinder wieder einen generellen Betreuungsanspruch von mindestens sieben Stunden am Tag. »Für viele Familien war es jetzt allerhöchste Zeit, dass das aufgehoben wird«, sagt Balkow zu »nd«.

Roland Kern vom Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden kann die Freude der Eltern durchaus nachvollziehen. Zugleich, sagt Kern, verstehe er aber das Tempo nicht, das Bildungssenatorin Scheeres bei den Kita-Öffnungen nun an den Tag gelegt habe. Ein realistisches Datum für den Wiedereinstieg in das Komplettprogramm wäre die letzte Märzwoche gewesen. Schließlich ist das Kita-Personal gerade erst in der Corona-Impfreihenfolge nach oben gerückt. In drei Wochen hätte ein Großteil die erste Impfrunde vermutlich bereits hinter sich - eine wesentliche Voraussetzung für einen Normalbetrieb unter Pandemiebedingungen, so Kern, dessen Verband rund 850 kleine und selbstverwaltete Kitas in Berlin vertritt. »Dementsprechend groß ist jetzt die Enttäuschung der Erzieherinnen und Erzieher.«

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Regelrecht sauer über die Öffnung ist man bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). »Dass es Öffnungsperspektiven geben muss, steht außer Frage, aber doch nicht so«, sagt Berlins GEW-Chefin Doreen Siebernik zu »nd«. Die veränderte Impfpriorisierung sei ein wichtiges Signal an die allein berlinweit fast 40 000 Beschäftigten der Kitas gewesen, dass man ihre Arbeit wertschätze und die damit verbunden Gesundheitsgefährdungen anerkenne.

Durch die jetzt angekündigten Schritte werde die neue Wertschätzung indes konterkariert, schimpft Siebernik. »Eine Komplettöffnung hinzulegen, ohne dass es überhaupt die ersten Impfangebote gegeben hat, ist unverantwortlich. Und es ist diese Art der Politik, die Frust und Verdrossenheit befördert.« Auch die GEW-Chefin wundert sich, dass die Senatsverwaltung nicht wenigstens noch zwei, drei Wochen warten konnte.

In der Senatsbildungsverwaltung selbst hat man nur bedingt Verständnis für die Kritik. »Berlin ist mit Blick auf die Lockerungen ja nun auch wirklich unter den eher Zögerlichen«, sagt Sprecherin Iris Brennberger zu »nd«. Man sei aber jetzt an einem Punkt angekommen, wo man sich fragen müsse, was man Eltern und Kindern noch zumuten könne. Brennberger verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass an Berliner Kitas »insgesamt nur ein sehr geringes Infektionsgeschehen« zu verzeichnen sei. So habe es zuletzt in den über 2700 Einrichtungen lediglich 28 Gruppen- oder Komplettschließungen wegen eines Corona-Falls gegeben. Daher sei es »gerechtfertigt und verantwortungsvoll«, allen Kindern Betreuungsangebote zu machen.

Wichtig ist Scheeres’ Sprecherin der Hinweis darauf, dass man - wie vor der Verschärfung der Regeln im Januar - auch diesmal wieder an die Eltern appelliere, »sich hinsichtlich ihres individuellen Betreuungsbedarfs auf den notwendigen Umfang zu beschränken und diesen regelmäßig mit den Einrichtungen abzustimmen«. So gesehen baut man auf die Eigenverantwortlichkeit und Vernunft der Eltern - wieder einmal.

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