Papst auf historischer Mission im Irak

Die Menschen in der von Kriegen und Unsicherheiten gezeichneten Region feiern den Heiligen Vater

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit einem Golfmobil fuhr Papst Franziskus in Mossul durch die Trümmerlandschaft zum Kirchenplatz der zerstörten Altstadt. Dort, umgeben von Restmauern vier verschiedener Kirchen, gedachte er zunächst schweigend der Opfer, die der Krieg gegen den »Islamischen Staat im Irak und in der Levante« von allen religiösen und ethnischen Gruppen des Landes gefordert hatte. Dann sprach er ein Gebet. Handwerker aus Mossul hatten auf dem Platz zwei Kreuze aufgestellt. In einem der Kreuze waren Sehenswürdigkeiten von Mossul eingraviert, das andere Kreuz war aus verbrannten Kirchenbänken gezimmert worden. Der Besuch am Sonntag in Mossul war wohl der Höhepunkt der Irakreise.

»Mesopotamien begrüßt seine Heiligkeit Papst Franziskus«. So war es in Englisch und Arabisch auf großen Transparenten zu lesen, die schon Tage vor dessen Ankunft am vergangenen Freitag überall in Bagdad die gute Botschaft verkündeten. Es war das erste Mal, dass ein Papst den Irak besuchte. Die Menschen der von Kriegen und Unsicherheiten gezeichneten »Wiege der Zivilisation« jubelten ihm zu.

Franziskus hatte sich über alle Sicherheitsbedenken hinweggesetzt, um den vor einem Jahr wegen der Coronapandemie verschobenen Besuch endlich anzutreten. Er sei sich im Vatikan »wie in einem Käfig« vorgekommen, sagte der Papst vor seiner Abreise. Frisch geimpft gegen das Coronavirus absolvierte das 84-jährige Oberhaupt der Katholischen Kirche in vier Tagen einen beachtlichen Marathon hin. Tag 1 war er in Bagdad, Tag 2 in Najaf und Ur, im Süden des Landes. Am Sonntag, Tag 3, besuchte er Erbil, die Hauptstadt der autonomen Kurdenprovinz im Nordirak, Mossul und Karakosch. Vor seiner Abreise am Montag rief er den Menschen bei einer Messe in Erbil zu: »Irak wird in meinem Herzen bleiben.«

Er hoffe auf »ein Ende von Gewalt und Extremismus, Zersplitterung und Intoleranz«, sagte der Papst bei einem Empfang im Präsidentenpalast in Bagdad am Freitag. Er komme als »Pilger des Friedens« und bitte als Büßer um »Vergebung für so viel Zerstörung und Grausamkeit«, die der Irak habe erfahren müssen. Am Samstag traf der Papst den 93-jährigen Großayatollah Ali Al Sistani in Najaf zu einem etwa 45-minütigen privaten Gespräch, berichtete Matteo Bruni, Pressechef des Heiligen Stuhls. Sistani gilt als moralische Autorität und verfügt über mehr Ansehen als jeder Politiker im Zweistromland. Das Treffen habe im Privathaus von Al Sistani stattgefunden, so Bruni. Dabei sei »die Bedeutung von Kooperation und Freundschaft zwischen verschiedenen Glaubensgemeinden« hervorgehoben worden.

Nächste Station war Ur, ein Ruinenfeld im Süden des Iraks, unweit von Nasseriya. Der Papst wollte den Ort besuchen, weil hier Abraham geboren sein soll, der als Gründervater der drei monotheistischen Religionen gilt: dem Judentum, dem Christentum und dem Islam. Neben einigen für den Tourismus nachgebauten Straßenzügen des historischen Ur traf Papst Franziskus in einem Zelt mit Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften und der Jesiden zusammen. Das Ruinenfeld von Ur wird von der historischen Zitadelle überragt und ist von einer weitläufigen Militäranlage mit Flughafen umgeben. Nach dem Einmarsch der US-Truppen 2003 hatte die US-Armee hier ihr Hauptquartier aufgeschlagen.

Inoffiziellen Zahlen zufolge lebten vor der völkerrechtswidrigen US-geführten Invasion 2003 im Irak mehr als 1,5 Millionen Christen verschiedener Gemeinden der Ostkirche. Heute wird ihre Zahl auf rund 300 000 geschätzt. Bashar Warda, der chaldäische Bischof von Erbil, sagte der britischen BBC, der Besuch des Papstes sei »Hoffnung und Ermunterung« für die Christen zu bleiben und auch zurückzukehren. Das Leben heute sei sicher, »aber für das Leben braucht es mehr als Sicherheit. Wir brauchen Arbeit, gute Bildung und Ausbildung, Schulen und Gesundheitsversorgung«, so der Bischof. Der Besuch des Papstes mache den Menschen Mut.

Auf die Frage, ob auch die Syrer sich den Besuch des Papstes gewünscht hätten, sagte der in Damaskus lebende Joseph B. im Telefonat mit der Autorin, er hätte sich gefreut und die Syrer könnten Zuspruch gebrauchen. Er erinnere sich gut an Papst Johannes II, der im Mai 2001 in Syrien begeistert empfangen worden sei. Er verstehe aber, dass der Papst jetzt nicht kommen könne, Syrien sei schwach und unsicher, zudem stünden Präsidentschaftswahlen bevor und der Papst müsse sich aus der Politik heraushalten. Für die Christen der Region sei der Papstbesuch im Irak ein wichtiges Zeichen, so der armenisch-christliche Syrer weiter: »Es ist eine klare Botschaft an die Politiker: Macht endlich Frieden, es reicht.«

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