- Wirtschaft und Umwelt
- Continental
Coronakrise als Vorwand zum Stellenabbau
Automobilzulieferer Continental verzeichnete im vergangenen Jahr fast eine Milliarde Euro Verlust
Rote Zahlen, wie sie die Continental AG (Conti) bereits 2019 mit 1,22 Milliarden Euro Verlust geschrieben hatte, trüben auch den Rückblick des Automobilzulieferers auf das vergangene Jahr. 2020 hat das in 60 Ländern agierende Unternehmen einen Verlust von 962 Millionen Euro eingefahren. Der Umsatz sank im selben Zeitraum um rund 15 Prozent auf 37,7 Milliarden Euro.
Die Corona-Pandemie, Veränderungen in der Automobilindustrie sowie bei Conti selbst hätten dem Konzern »äußerst viel abverlangt«, kommentierte Vorstandsvorsitzender Nikolai Setzer die Entwicklung der Aktiengesellschaft auf der Jahrespressekonferenz in Hannover, am Hauptsitz des Dax-Unternehmens. Das Continental-Team habe »ungewöhnliche Herausforderungen kreativ gemeistert und mit hoher Disziplin unsere Kosten gesenkt«, lobte der Manager die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; rund 240 000 sind es weltweit.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Diese verbale Würdigung vonseiten des obersten Chefs wird all jenen nichts nützen, die wegen des Konzernziels weiterer Kostensenkungen ihren Arbeitsplatz verlieren. Der zu befürchtende Stellenabbau war kein Thema bei der Konferenz, auf der sich die Vorstandsebene bemühte, optimistisch in die Zukunft zu schauen und selbst die Probleme des verlustreichen Jahres gefällig darzustellen. Etwa, als Setzer sagte: »Operativ haben wir uns gemäß den Umständen gut behauptet. Wir haben 2020 in Summe besser abgeschlossen als im Frühjahr befürchtet.«
Vor dem Hintergrund des fast eine Milliarde Euro schweren Verlustes klingt es wie ein tröstendes »Alles gar nicht so schlimm«, wenn der Konzern in einer parallel zur Konferenz veröffentlichten Mitteilung konstatiert: »In einem historisch schwachen Marktumfeld hat Continental im Geschäftsjahr 2020 operative und finanzielle Solidität bewiesen und die angepassten Jahresziele erreicht.«
Irgendwie transparenter und aufschlussreicher als solche Sätze im Pressetext aus der Continental-Zentrale erscheint da doch »Contis Karte des Kahlschlags«, herausgegeben von den Industriegewerkschaften Metall sowie Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Auf einer Deutschlandkarte haben die beiden Gewerkschaften all jene Conti-Standorte markiert, an denen Stellenabbau droht. Insgesamt 28 sind es. Von Niedersachsen bis Bayern, von Nordrhein-Westfalen bis Sachsen. »Bundesweit will der Konzern 13 000 gute Jobs streichen«, schreiben die Gewerkschaften über ihre Kahlschlag-Skizze. Weltweit seien 30 000 Stellen bedroht, heißt es anderswo.
Beide Zahlen sorgen bereits seit Herbst vergangenen Jahres für Verunsicherung im Konzern und haben viele Beschäftigte mobilisiert. So etwa in Karben in der Nähe von Frankfurt am Main, wo Conti Fahrassistenzsysteme produziert. Das Management wolle das Werk schließen und dessen knapp 1100 Beschäftigte an die Luft setzen, so die IG Metall. Aus der Belegschaft heißt es: Seit Jahren sei klar, wohin der Trend im Automobilmarkt geht, doch das habe Continental weitestgehend ignoriert. Nun werde die Coronakrise als Vorwand genommen, um einen längst geplanten Stellenabbau zu verwirklichen. Die IG Metall kündigte daraufhin an, dass sie und die Beschäftigten dort zuschlagen werden, wo es die Konzernspitze und die Aktionäre besonders hart trifft: beim Geld - »so könnte man beispielsweise für einen Sozialtarifvertrag streiken«.
An die Aktionäre hat sich auch der Vorsitzende des Gesamtkonzern-Betriebsrates, Hasan Allak, gewandt: Sie sollten angesichts drohender Stellenstreichungen auf eine Dividende für 2020 verzichten. Auch der Conti-Vorstand will den Teilnehmern der für Ende April angesetzten Aktionärshauptversammlung diesen Verzicht vorschlagen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.