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Nicht dass wir uns falsch verstehen
»Der Tod in ihren Händen« von Ottessa Moshfegh ist so spannend wie ein Krimi - nur viel aufregender
Ich mag eigentlich keine Krimis. Das liegt schon daran, dass mir die meisten Todesopfer in derartigen Büchern gleichgültig sind. Womit auch die Aufklärung des Verbrechens ziemlich egal wird. Die Witwe eines reichen Reeders wird ermordet? Und nach 350 verschwendeten Seiten stellt sich heraus, dass der verschwiegene uneheliche Sohn der alten Dame der Mörder ist? Na und, was geht mich das an?
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Ottessa Moshfegh: Der Tod in ihren Händen.
A. d. amerik. Engl.v. Anke Caroline Burger. Hanser Berlin, 256 S., geb., 22 €. •
Was aber ist, wenn ein Verbrechen stattgefunden hat, bei dem niemand weiß, wer das Opfer ist? Das klingt schon interessanter. Diese Idee steht hinter der Geschichte in dem Buch »Der Tod in ihren Händen« von Ottessa Moshfegh.
Die Witwe Vesta Guhl, die nach dem Tod ihres Mannes - ein angesehener Wissenschaftler - in die Nähe der kleinen Ortschaft Levant in der US-amerikanischen Provinz gezogen ist, findet bei einem morgendlichen Spaziergang einen Zettel: »Ihr Name war Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie getötet hat. Hier ist ihre Leiche.« Von der Toten jedoch keine Spur.
Das weckt das Interesse der einsamen Frau. Sie beginnt zu recherchieren - und vor allen Dingen fängt sie an, sich ihre eigenen Gedanken zu machen. Nach und nach entsteht in ihrem Kopf ein Bild dieser Magda: »Ich sah sie als Jugendliche vor mir, rank und schlank, mit schlechter Haltung und langen schwarzen Haaren, in einer zu großen Collegejacke mit weißen Lederärmeln und dem Aufnäher einer lokalen Sportmannschaft auf dem Rücken, natürlich ironisch gemeint. (…) Sie war kein junges Mädchen, das mit hohen Absätzen herumstolzierte und so tat, als sei sie eine Trophäe, die von den Männern errungen werden musste. Aber sie hatte trotzdem etwas ganz Besonderes an sich. Vielleicht war es Coolness und ein ungeschliffener, von innen kommender Glanz. Bei einem Namen wie Magda muss sie irgendetwas Exotisches an sich gehabt haben.« Vesta glaubt schließlich, in den Bewohnern des Dorfes die Mitwisser des Mordes zu erkennen. Und den Täter. Lebt sie unter Verbrechern?
Nicht dass wir uns falsch verstehen: »Der Tod in ihren Händen« ist kein Kriminalroman. Doch für diese Geschichte benutzt Ottessa Moshfegh geschickt Versatzstücke aus Krimis und Thrillern für ein virtuoses Spiel mit literarischen Klischees. Vesta sieht sich zunehmend in der Rolle einer Ermittlerin - und verwendet eine Anleitung für Krimiautoren für ihre Detektivarbeit. Auch wenn sie einige der Tipps und Tricks als »idiotisch« oder »lächerlich« verwirft. Was sie zweifellos auch sind, wie alle Schreibratgeber, weil sie Dinge empfehlen, die zumeist ganz selbstverständlich sind.
Ottessa Moshfegh weiß das, hat sie doch selbst Kreatives Schreiben studiert, sich also mit der Theorie und vor allem der Praxis des literarischen Schreibens intensiv beschäftigt. Sie lässt Vesta Guhl als unzuverlässige Erzählerin allerlei Fährten legen, denen man folgen kann, aber nicht folgen muss, während Vesta Guhl (Achtung, speaking name!) immer mehr von ihren eigenen Abgründen und Lebenslügen offenbart.
Und damit mutiert das Buch mit der Zeit zu einem (feministischen) Gesellschaftsroman. Großartig geschrieben, in einer klaren, unprätentiösen Sprache. Ein Buch, das zu lesen Spaß macht. Und in dem gegen Ende der Dichter William Blake, eine Krimiparty und die Erkenntnistheorie eine Rolle spielen. Spannend wie ein Krimi ist dieses Buch durchaus - nur ist es noch viel aufregender, weil es nicht dabei stehen bleibt.
»Der Tod in ihren Händen« ist Ottessa Moshfeghs vierter Roman. Wir dürfen noch viel von ihr erwarten. Dass sie so viele Bücher verkaufen wird wie Agatha Christie (angebliche Auflage: zwei Milliarden), von deren Erfolgsrezept hier ebenfalls die Rede ist (»Der Mörder ist immer die Person knapp links von der Mitte«), ist jedoch eher unwahrscheinlich.
Einziges Manko des Buches: das Ende der Geschichte. Es hätte vielleicht noch einer weiteren Drehung bedurft, um der Story abermals eine ungeahnte, überraschende Facette hinzuzufügen. Aber lesen Sie selbst.
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