Hopp oder top

Teilweise süffig: Die Bekenntnisse aus dem Ich-ich-ich-Männer-Journalismus von Michael Hopp

  • Marit Hofmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Wenn einer nach 20 Jahren Analyse noch ein Buch darüber schreiben muss, kann man sie als gescheitert ansehen. Wenn das Buch dann auch noch scheitert, noch peinlicher.« Ist Michael Hopps für alle Fälle Roman genanntes Buch über sein Leben, seine Süchte, seine Journalistenlaufbahn, seine Schulden, seine Affären und seine Jahre auf der Couch, in denen er das alles bei zwei Analytikerinnen aufzuarbeiten suchte, ein Flop?

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Michael Hopp: Mann auf der Couch.
Textem, 656 S., br., 20 €. •

Einer seiner ersten Kritiker ist der Psychoanalytiker Tilman Moser, der 1974 seine gänzlich anders gelagerten »Lehrjahre auf der Couch« beschrieb und den Hopp auf der Suche nach einem Übervater nach seiner Meinung fragt. Mosers Rat: »Nicht veröffentlichen, nur wenn Sie beide Damen bloßstellen oder sich rächen wollen, selbst wenn Sie einen Verleger fänden, was ich nicht glaube.«

Doch der »Tempo«-Autor, Ex-Chef von »Wiener«, »Männer Vogue«, »TV Movie« und heutige Agenturinhaber hat einen Verlag gefunden. »Niemand stoppt mich mehr«, keine Analytikerin, offenbar auch kein Lektor. Warum verschlingt man die von der Kindheit zur alkoholgetränkten Karriere und zu Traumdeutungen und Freud-Exkursen schlingernden, oft redundanten 650 Seiten dennoch? Ist es die Hoffnung auf Branchen-Enthüllungen; der voyeuristische Reiz, wenn jemand auspackt, was hinter den Türen der Therapiepraxen passiert, den derzeit diverse Serien bedienen? Ist es schlicht Neugier, worauf der süffig geschriebene Seelenstriptease hinausläuft? Geschickt arbeitet Hopp mit Vorausdeutungen, kündigt eine »Katastrophe am Ende« an, die dann nicht besonders überrascht.

Aufhorchen lässt »Mann auf der Couch« immer da, wo Zweifel aufscheint. Es gehört zu den ebenso bewundernswerten wie selbstzerstörerischen Volten des Autors, dass er Mosers vernichtende Kritik ins Buch aufnimmt und ihr sogar zustimmt: »Es gibt Momente, da fällt mir auf, wie größenwahnsinnig und selbstverliebt mein Lamento ist.«

Seinen Höhenflug als Medienobermacker bilanziert er erfrischend selbstkritisch: »Es war nicht schwer, den Zeitgeist, wie wir es genannt hatten, immer neu aufzukochen … Teilweise auch mit erfundenen oder zumindest stark übertriebenen Geschichten … Ich hatte schon in Wien belehrende Artikel … geschrieben, über … die ›neue Familie‹, wobei das ›neu‹ so gemeint war, dass die Frau auch gerne wieder zu Hause bleiben könne … Von meinen Artikeln von damals ertrage ich heute keine zehn Zeilen mehr.« Was ihn nicht davon abhält, einige im Buch nachzudrucken. Man könnte aber meinen, der Blender von Berufs wegen legt es darauf an, sich endlich selbst aus der dahinsiechenden Medienbranche hinauszukatapultieren, wenn er offenlegt, wie schlecht es um seine Agentur steht: »In Wirklichkeit waren wir von den paar Content-Marketing-Jobs, die … reinkamen, total überfordert.«

Im Leben wie im Buch hopst Hopp vom linksradikalen Revoluzzer (bei der sozialistischen Zeitschrift »Trotzdem« und der österreichischen »Neuen Freien Presse«) über das 68er-Ärgern bei »Tempo« zum »prokapitalistischen Marketing«, als wechselte er die Gesinnung wie die Mode der Saison.

Dabei häufte er »eine ganze Liste von MeToo-Fällen« an. »Ich war dabei, ein richtiges widerliches Arschloch zu werden.« Doch bei diesen dürren Worten bleibt es, kein Gedanke an die Opfer: »Wie aus Trotz (gegen alles und alle) verschlinge ich die Schauergeschichten um Sexmonster wie Harvey Weinstein oder Jeffrey Epstein.« Er »leide mit den Tätern …, nie mit den Opfern«.

Mit zunehmendem Kopfschütteln registriert die Leserin, dass solche Selbsterkenntnis zu nichts führt. Der Ich-ich-ich-Männer-Journalismus (»›New Journalism‹ nannten wir das«), aber auch das Elitäre der Analyse selbst (alles andere nennt Hopp »Hausfrauenpsychologie«) scheinen den Narzissmus zu verstärken.

Als Fallstudie aufschlussreich ist hier das Aufbäumen eines alternden weißen Mannes, den die Angst vor Verarmung, Impotenz und Imageverlust antreibt: »Kann ich mit Ficken noch viel bewegen? … Gehören zwei dazu, stimmt, aber es gehört eben auch der Dampfhammer dazu. Meine ich das alles ernst? Klar. Je schwächer ich werde, desto kraftmeierischer, pornografischer, brutaler, primitiver wird meine Sprache. Das Schreiben wird zum aggressiven Akt, auch gegen mich selbst gerichtet. Ich freue mich darauf, wenn irgendwelche Betschwestern das alles unmöglich finden.«

Netter Versuch, Kritikerinnen Wind aus den Segeln zu nehmen, dabei will der ehemals tolle Hecht das Thema Sex in der Analyse ausgespart haben und nun phallozentrisch beschränkt mit Ausflügen in die Altherrenunterhose schocken. Immer wieder kommt Hopp der abgeneigten Leserin zuvor, indem er eine scheinbar selbstreflexive Ebene einzieht: »Es ist eine Qual, das alles aufzuschreiben und wahrscheinlich auch, es zu lesen.«

Zwei Kapitel zu seiner Audiosucht, für die Hopp Unmengen Geld verprasst und die doch »no satisfaction« bringt, sezieren überraschend unbarmherzig den Männertypus Plattensammler und Hi-Fi-Frickler, der sich mit seiner einsamen Obsession über andere erheben will. Frei nach dem Motto: Meine Frau versteht mich nicht, und von Musik versteht sie auch nichts. Die genannten Idole (Bob Dylan, Rolling Stones) lassen den Musikgeschmack des Auskenners arg altmännerbacken aussehen.

Auch von seinen Analytikerinnen fühlt sich der arme Mann bisweilen unverstanden und versucht, sich mit dem Buch von ihnen zu lösen sowie die »sexuelle Frustration« in der Kunst zu kompensieren. Zum Titel »der deutsche Michel Houellebecq« oder »der deutsche Frédéric Beigbeder«, auf den er womöglich mit seinen touretteartigen Ausfällen schielt, reicht es allerdings literarisch und konzeptionell nicht. Doch selbst das weiß er irgendwie: »›Aber am Ende reichte es dann doch nicht‹, das ist der schmerzhafte Satz, der mir in die Glieder fährt.«

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