Verkehrswende kommt nicht bei Radlern an

Der ADFC-Fahrradklima-Test zeigt auf, wie unsicher sich Radfahrende in Berlin unterwegs fühlen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Als Belohnung gibt es eine Urkunde in der Sonderkategorie »Radfahren in Coronazeiten«. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ehrte am Dienstag Berlin mit einem Sonderpreis dafür, dass die Stadt in der Coronakrise neue sogenannte Pop-up-Radwege für Radfahrerinnen und Radfahrer angelegt hat. Weil im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 nur sehr wenig Autoverkehr zu verzeichnen war, konnten innerhalb kurzer Zeit rund 25 Kilometer dieser Radspuren errichtet werden. Grundlage für den Sonderpreis war die Befragung Fahrrad-Klimatest, die der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) alle zwei Jahre durchführt. Insgesamt beteiligten sich an der Umfrage bundesweit 230 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.


Berliner Radfahrende unsicher unterwegs

Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese (Grüne) erklärte zur Preisverleihung: »Das macht uns stolz, bestätigt uns darin, was wir gestartet haben.« Tatsächlich gilt Berlin, dass bereits 2017 ein Mobilitätsgesetz verabschiedet hat, als Vorreiter in Deutschland. Doch trotz des vorhandenen politischen Willens, eine Verkehrswende umzusetzen, sieht es bei der konkreten Bewertung der Situation für Radfahrerinnen und Radfahrer in Berlin sehr schlecht für Rot-Rot-Grün aus. Denn der Fahrradklima-Test zeigt deutlich, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der nicht repräsentativen Umfrage dem Land Berlin schlechte Noten ausstellen. Zwar gelang es der Metropole, sich im innerdeutschen Ranking leicht von Platz 12 auf Platz 9 zu verbessern, aber für einen selbst ernannten Vorreiter der Verkehrswende ist das zu wenig.


Parkende Autos sind großes Problem

Besondere Defizite sehen die Befragten bei den Themen Sicherheit und Komfort: »Die Mehrheit – 69 Prozent – fühlt sich nicht als Verkehrsteilnehmende akzeptiert«, sagte die Sprecherin des ADFC Berlin, Lisa Feitsch, bei der Vorstellung des Stimmungsbarometers. 80 Prozent der Radfahrerinnen und Radfahrer in Berlin fühlen sich unsicher. Und 90 Prozent kritisieren, dass parkende Autos auf Radwegen in Berlin akzeptiert werden. »Falschparken ist kein Kavaliersdelikt, es zwingt zu gefährlichen Ausweichmanövern der Radfahrenden«, betont Feitsch. Angesichts dieser Angaben verwundert es wenig, dass fast die Hälfte der Befragten Radfahren in der Bundeshauptstadt als »Stress« einstuft. Entsprechend mies fällt auch die Gesamtbewertung von 4,14 aus, die Befragten konnten Noten von 1 bis 6 vergeben.


Wo ein politischer Wille, da kein Radweg

Der Verband ADFC folgert daraus: »Der politische Wille zur Verkehrswende kommt nicht auf der Straße an«, sagt ADFC-Vorstandsmitglied Frank Masurat, der für den politischen Bereich zuständig ist. Drei Jahre nach Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes sei den Radfahrenden die Ursache für die ausbleibende Verkehrswende egal, hat der ADFC-Vorstand beobachtet. »Ob es nun an bizarren Verwaltungsstrukturen oder an kaputtgesparter Infrastruktur liegt, an permanentem Personalmangel, an parteipolitischem Gezänk oder an der Angst der Regierungskoalition vor dem Geschrei einiger wenigen Parkplatz-Verteidiger, immer wieder wird das Mobilitätsgesetz gebrochen.«

Der ADFC fordert, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Das in der Coronakrise gezeigte »agile« Verwaltungshandeln müsse verstetigt werden, heißt es. Außerdem solle der lange versprochene Radverkehrsplan endlich vom Senat verabschiedet werden. Und nicht zuletzt müssten Unfallschwerpunkte auf Kreuzungen endlich entschärft werden.

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