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  • Antimuslimischer Rassismus

Zielscheibe Kopftuch

Anlaufstelle meldet 228 Fälle von antimuslimischem Rassismus in Berlin

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Oktober 2020 meldet eine Frau, die auf einer Corona-Station arbeitet, ihren Kollegen: Er habe sich über türkeistämmige Patient*innen beschwert und unter anderem gesagt: »Dadurch, dass Menschen mit Migrationshintergrund die deutsche Sprache nicht beherrschen, sind sie laut Studien intelligenzgemindert, schauen keine Nachrichten und sind nicht über Corona informiert.« Ingesamt erfasste das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan) im vergangenen Jahr 228 Fälle von antimuslimischem Rassismus in Berlin. Darunter fallen Beleidigungen, Anfeindungen, Benachteiligungen und tätliche Angriffe auf Muslim*innen und Menschen, die von Angreifer*innen als solche eingeordnet werden.

Zwar ist die Zahl der Vorfälle im Pandemiejahr um rund 14 Prozent gesunken. Doch seit der Verein im Jahr 2016 begann, antimuslimischen Rassismus zu registrieren, hätten sich die Meldungen um 100 Prozent erhöht. »Wir registrieren in den letzten Jahren immer noch einen kontinuierlichen Anstieg von antimuslimischem Rassismus, was weiter besorgniserregend ist«, sagt Zeynep Çetin, die Projektleiterin des Netzwerks gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit. Den Rückgang sieht Inssan durch die Pandemie und die eingeschränkte Empowerment-Arbeit begründet - dadurch würden weniger Fälle gemeldet.

Der »gefährlichste Ort« bleibe der soziale Nahraum, also die Straße, öffentliche Verkehrsmittel und die Nachbarschaft. Dort wurden die meisten Vorfälle gemeldet (48,7 Prozent). In diesem Bereich ist der größte coronabedingte Rückgang zu verzeichnen.

Über 50 Prozent mehr Fälle wurden im Bereich Güter- und Dienstleistungen erfasst (16 Prozent). Darunter fallen Geschäfte, Versicherungen, Behördengänge und Arztbesuche. Der Verein erklärt sich das damit, dass im Lockdown Stammgeschäfte nicht mehr aufgesucht werden konnten und die Menschen mehr auf bestimmte Leistungen angewiesen waren. 12 Prozent wurden im Bereich Bildung gemeldet, 11,4 Prozent im digitalen Raum und 10,9 Prozent am Arbeitsplatz beziehungsweise bei der Arbeitssuche erlebt.

Auffällig ist, dass nur 13 Prozent der Fälle von Männern gemeldet wurden, über 63 von Frauen, 11,4 ohne Angabe und 11,8 von gemischten Gruppen. Das bedeute nicht, dass Männer seltener diskriminiert würden, sondern könne mit erlerntem männlichen Verhalten zu tun haben. Am häufigsten wurden die Menschen aufgrund zugeschriebener Religion und ethnischer Herkunft diskriminiert, gefolgt von Geschlecht. Seltener angegeben wurden Alter und sozialer Status. In vielen Fällen überschnitten sich die Diskriminierungsgründe. »Eine kopftuchtragende Frau erlebt viel mehr Diskriminierungen als eine Muslimin, die kein Kopftuch trägt. Das lässt sich dann nicht einfach einzeln als Diskriminierung aufgrund der Religion oder des Geschlechts beschreiben, sondern diese sind miteinander fest verflochten und erzeugen spezifische Diskriminierungsformen«, sagt Projektleiterin Zeynep Çetin zu »nd«.

»Es ist nicht leicht für Menschen, die muslimisch gelesen werden, ›einfach mal‹ die eigenen Erfahrungen zu melden«, sagt Sevinç Kuzuoğlu, die im Bereich Demokratieförderung arbeitet. Die Zahlen seien »überhaupt nicht repräsentativ«. Çetin von Inssan geht von einem etwa siebenmal größeren Dunkelfeld aus. Um dies zu verändern, sei Empowerment notwendig, um Menschen zu motivieren, ihre Erfahrungen zu melden und auch polizeilich anzuzeigen. Dies geschehe derzeit nur bei einem Bruchteil der Fälle. Etwa ein Viertel der Fälle fielen unter die strafrechtlich relevante Kategorie »Hate Crime«.

Inssan fordert vom Senat den Ausbau seiner Beratungsstelle und die Einrichtung einer Stelle für eine*n Beauftragte*n gegen antimuslimischen Rassismus. Zudem müsse die Arbeit des Netzwerks um Monitoring erweitert werden, um das große Dunkelfeld zu erhellen.

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