- Politik
- Tag des Wassers am 22. März
Warten auf die Tankwagen
In der Coronakrise ist die prekäre Wasserversorgung in Kolumbiens Norden noch wichtiger geworden
Manuel Elias Pushaina ist normalerweise viel unterwegs. Der Lehrer arbeitet für die Umweltorganisation Movimiento Ambientalista Colombiano, kurz MAC, gibt Kurse in Umweltschutz und unterrichtet nachhaltige Anbaustrategien. »Wasser ist fast überall in der Guajira knapp, doch nirgends ist es so ex-trem wie im Norden der Halbinsel rund um Cabo de la Vela«, so der 27-jährige.
Alta Guajira heißt die Region, in der Pu-shaina normalerweise seine Arbeit macht – in drei von der Umweltorganisation aufgestellten Pavillons. Der kolumbianische Staat ist hier im Norden an der Grenze zu Venezuela kaum präsent. Wirtschaftlich setzt die Region auf Windenergie und Salzförderung. Wasser ist chronisch knapp.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
»Aula ambiental«, Umweltaula, steht auf einer Holztafel in Murujuy, darunter ist das MAC-Logo, eine Meeresschildkröte, eingebrannt. Die Ortschaft ist eine Ranchería, so werden die von einem Kakteenhain umgebenen Dörfer des Indigenenvolkes Wayuú genannt, die oftmals nur ein paar Hütten umfassen. Doch anders als so oft in Kolumbien sind die Kakteen um Murujuy nicht von Plastiktüten und anderen Abfällen übersät. Sie stehen schmuck im lauen Wind und der gleißenden Sonne. Ein Erfolg der Umweltkurse, erklärt Rosa López. Sie ist eine lokale Wayuú-Repräsentantin, lebt im einige Kilometer entfernten Cabo de la Vela und hat dafür gesorgt, dass Murujuy in das Programm der Umweltorganisation aufgenommen wurde.
2016 war das, und die Umweltaula ist dafür ebenso ein Beleg wie die Solarpanels, die auf einigen Dorfdächern installiert sind. »Licht, Energie für die Smartphones, das hilft den Familien«, sagt López, die sich um nicht weniger als 21 dieser Rancherías im Norden der Guajira kümmert. Sie sorgt dafür, dass die Tankwagen mit Wasser wirklich kommen und dass die Lehrer da sind, um den Unterricht durchzuführen. So zeigt der Staat zumindest etwas Präsenz.
Keine Selbstverständlichkeit in Kolumbien, wo Behörden in vielen Kommunen gar nicht in Erscheinung treten und nur das Militär kontrolliert. Mit der Armee kooperiert Rosa López, da diese als einzige Institution in der Lage ist, größere Mengen an Hilfsgütern zu transportieren und auch zu verteilen. Solarpanels, Wasser- und Lebensmittelspenden für Dörfer wie Murujuy sind so in den vergangenen Jahren immer wieder in die Alta Guajira transportiert worden.
Doch noch wichtiger ist der Umweltunterricht. Hier lernen die Kinder und Jugendlichen, wie sie in ihrem kargen Lebensraum besser überleben können. Welche Pflanzen können auch in der semidürren und dürren Region bestehen? Was sind die Anzeichen dafür, dass sich etwas Wasser in geringer Tiefe befindet? Und warum sollte man Abfall sammeln und recyceln?
In all diesen Fragen unterrichtet Manuel Elias Pushaina im Auftrag der Umweltorganisation und reist dafür durch den gesamten Norden der Guajira. Rund 7000 Familien leben in der Region unter prekären Bedingungen. »Regen ist ausgesprochen knapp. Phasen, in denen es zehn Monate nicht regnet, sind alles andere als selten. Diesen Effekt kann das Klimaphänomen El Niño noch verstärken«, berichtet der 27-jährige Lehrer. Mais- und Bohnensorten, Kaktusfrüchte, die nur wenig Wasser benötigen, empfiehlt er den Familien, deren Kinder er unterrichtet. Manchmal kann er etwas Saatgut für die kommunalen Gärten der Wayuú dalassen, aber längst nicht immer.
Fünf Dörfer standen anfangs auf seinem Stundenplan, später waren es sieben. Derzeit jedoch besucht er kein einziges. »Mit der Pandemie ist alles zusammengebrochen, der Unterricht wegen des Infektionsrisikos ausgesetzt«, sagt Pushaina, der in der Kleinstadt Manaure lebt und studiert. Er sorgt sich um seine Schüler: »In den abgelegenen Dörfern der Guajira kommt wenig an, da wird gehungert«, weiß er aus Telefongesprächen mit Eltern, Schülern und auch mit Rosa López.
Schön geredet. Haidy Damm über den aktuellen UN-Weltwasserbericht
Hinzu kommt, dass die Wasserversorgung während der Pandemie kaum verbessert wurde. Hygiene in diesen Zeiten sei schwierig, so López. Sie drängt die Behörden der Regionalregierung immer wieder, die Belieferung mit Tankwagen auszubauen. Mit geringem Erfolg.
Wann die Umweltorganisation die Arbeit in den Rancherías wieder aufnehmen wird, steht in den Sternen. Immerhin haben die Behörden angefangen, sich Gedanken über die Erstellung von Impfplänen für die Wayuú zu machen. Positiv ist noch etwas: Die Covid-19-Infektionszahlen in der Guajira sind laut offiziellen Angaben bisher niedrig.
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