Schulter an Schulter gegen den US-Druck

Der Westen erlässt Sanktionen gegen China, das vom russischen Außenminister besucht wird

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 4 Min.

Sanktionieren und sanktioniert werden, das scheint das Motto der Stunde zu sein. Erstmals seit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989 hat die Europäische Union Sanktionen gegen die Volksrepublik China wegen Verletzung von Menschenrechten verhängt. Die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten beschlossen am Montag in Brüssel Strafmaßnahmen gegen Verantwortliche für die Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang. Die Sanktionen sehen vor, dass sämtliche Vermögenswerte der betroffenen natürlichen oder juristischen Personen eingefroren werden. Außerdem dürfen ihnen keine Finanzen oder wirtschaftliche Ressourcen mehr zur Verfügung gestellt werden, und die Einreise in die EU ist ihnen nun verboten.

Der chinesische EU-Botschafter Zhang Ming hatte die EU-Pläne zuletzt scharf kritisiert. »Sanktionen sind konfrontativ«, ließ er mitteilen. Sein Land wolle Dialog, werde aber nicht klein beigeben, wenn andere auf Konfrontation bestehen sollten: Nur Stunden nach der EU-Ankündigung verhängte China ebenfalls Sanktionen gegen zehn Europäer und vier Einrichtungen in der EU. Betroffen sind unter anderem die deutschen EU-Parlamentsabgeordneten Reinhard Bütikofer (Grüne) und Michael Gahler (CDU) sowie das Mercator Institute for China Studies in Berlin.

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Wie sehr Sanktionen die Außenpolitik in den Zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts prägen, zeigte auch die vergangene Woche. Innerhalb von - rekordverdächtigen - 72 Stunden drohte, bzw. belegte die neue Regierung von US-Präsident Joe Biden gleich vier Staaten mit Sanktionen: Dem eigenen Verbündeten Deutschland drohen die USA mit Sanktionen wegen des Baus der Gaspipeline Nordstream 2, über die russisches Erdgas in die EU importiert werden soll. Mit Indien verhandeln die USA gerade über ein Marinebündnis, das offensichtlich gegen China gerichtet ist. Das hindert Washington aber nicht daran, den möglichen Verbündeten zu drohen: Entweder verzichte Delhi auf den Einsatz des vor zwei Jahren von Russland gekauften S400-Luftverteidigungssystems, oder Indien werde sanktioniert, verkündete Verteidigungsminister Lloyd Austin bei seinem Besuch in Indien am Samstag.

Vergangene Woche hatte Biden den russischen Staatschef Wladimir Putin als »Killer« bezeichnet - Putin antwortete, indem er Biden gute Gesundheit wünschte. Dazu hat das US-Handelsministerium erklärt, dass Sanktionen gegen einige Exportgüter nach Russland als Reaktion auf die Vergiftung des oppositionellen Alexej Nawalny verschärft würden; einen Tag zuvor hatte das US-Außenministerium auch neue Sanktionen gegen 24 Beamte aus Festlandchina und Hongkong wegen Pekings Eingriff in das Wahlsystem der einstigen Kolonie angekündigt. Laut des bei den Vereinten Nationen hinterlegten Rückgabevertrages soll Hongkong einen hohen Grad an Autonomie behalten.

Das Vorgehen der USA ist dabei höchst unstrategisch: Sanktionen gegen Indien könnten ihren Versuch sabotieren, die »Quad-Allianz« im Pazifik aus Indien, Australien, Japan und den USA zu etablieren. Sanktionen gegen Deutschland würden die Bemühungen untergraben, das seit der Amtszeit von Donald Trump zerrüttete Verhältnis mit den europäischen Verbündeten zu reparieren - zumindest mit Deutschland, andere EU-Staaten sind ebenfalls gegen Nordstream 2. Aber vor allem birgt es für Washington die Gefahr, dass sich eine chinesisch-russische Allianz gegen die USA festigt.

Am Montag traf der russische Außenminister Sergej Lawrow zu Gesprächen mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi im südchinesischen Touristenort Guilin ein. Chinas Außenamtssprecherin Hua Chunying sagte in Peking, die Volksrepublik und Russland hätten seit jeher Schulter an Schulter gestanden, die Entwicklung der Beziehungen ziele nicht auf Drittstaaten. »Wir verhalten uns nicht wie andere Länder, die sich gegen andere zusammenrotten«, fügte sie hinzu - ein kaum verhohlener Seitenhieb gegen die USA und deren Versuche, alte und neue Allianzen gegen China zu schmieden. Vor dem im Streit eskalierten Treffen zwischen China und den USA am Freitag und Samstag im US-Bundesstaat Alaska war US-Außenminister Antony Blinken vergangene Woche in Japan und Südkorea, um Verbündete gegen China zu mobilisieren. Nun besucht er Brüssel, wo China und Russland bei seinen Gesprächen mit Nato- und EU-Vertretern voraussichtlich ganz oben auf der Tagesordnung stehen werden.

Den chinesischen Staatsmedien sagte der russische Außenminister Lawrow vor dem Treffen in Guilin, Moskau und Peking sollten zusammenarbeiten, um den US-Sanktionen zu widerstehen. Dafür sollten die beiden Länder in Wissenschaft und Technologie unabhängiger werden und sich von westlichen Zahlungssystemen wie Swift verabschieden. Auch der US-Dollar solle als Zahlungsmittel zugunsten nationaler oder alternativer Währungen abgelöst werden. So könnten China und Russland ihre Risiken durch Sanktionen senken, sagte Lawrow. Er kritisierte die Anwendung von Sanktionen, die zunehmend an die Stelle der Diplomatie treten würden. »Wir sollten eine maximal breite Koalition der Länder bilden, die sich grundsätzlich gegen diese ungesetzliche Praxis stemmen können.«

China hat Ende 2020 noch zwei politisch wichtige Handelsabkommen abgeschlossen: mit der Vereinigung südostasiatischer Staaten Asean und mit der EU. Diese Abkommen zeigen, dass Washington bei der Festlegung von Regeln für die Weltwirtschaft in die Defensive gedrängt werden kann.

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