Klassentreffen der Linksrevolutionäre

Fermin Muguruzas Polit-Comic »Black is Beltza« gibt es nun auch als Animationsfilm im Pop-Art-Stil

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.

Fermin Muguruza dürfte den meisten als Musiker bekannt sein. 1963 im baskischen Irun geboren, war er in den 1980er Jahren Mitbegründer der auch hierzulande bekannten und in linken Szenekreisen beliebten Polit-Punkband Kortatu. Es folgten weitere Bandgründungen (unter anderem Negu Gorriak), wobei seine Musik nicht nur von Punk, sondern auch von Ska, Rock und Hip-Hop beeinflusst ist und die Auseinandersetzung mit politischen Inhalten - vor allem dem Erbe der Franco-Diktatur, der Situation im Baskenland und den sozialen Kämpfen - in seiner künstlerischen Arbeit eine zentrale Rolle spielen.

Wobei der umtriebige Musiker schon vor Jahren auch einen Polit-Comic machte. Der dazugehörige Animationsfilm »Black is Beltza« kam 2018 heraus, lief hierzulande zwar nicht in den Kinos, aber Auszüge davon waren in Berlin in Anwesenheit des Musikers und Filmemachers vor drei Jahren im »Clash«, einer Punkkneipe, bei einem Konzert zu sehen. Nun läuft der 90-minütige Animationsfilm »Black is Beltza«, ein Comic-Pop-Art-Movie über antirassistische und internationalistische Kämpfe, auf Netflix.

Im Mittelpunkt der Handlung, die Mitte der 1960er Jahre einsetzt, steht ein junger Baske namens Manex. Der soll in New York mit anderen Basken eigentlich mit den in Pamplona am San-Fermin-Feiertag durch die Straßen getragenen Gigantes-Figuren an einer Parade teilnehmen. Aber die New Yorker Behörden - und das soll damals auch wirklich so geschehen sein - verbieten die Teilnahme von zwei schwarzen Figuren, was die jungen Basken als rassistische Zensur empfinden. Manex und sein Freund fahren nach Harlem, wo sie mitten in die gerade stattfindenden Straßenkämpfe zwischen People of Color und Polizei geraten. Dort lernen sie Freunde kennen, und Manex beschließt, in New York zu bleiben, anstatt ins franquistische Spanien zurückzukehren. Von New York aus reist er schließlich nach Kuba, weiter nach Mexiko, Kalifornien, Kanada, Algerien und irgendwann nach Europa. Im Laufe der Zeit begegnet Manex zahlreichen Personen der sozialrevolutionären Zeitgeschichte, unter anderem Che Guevara und Angela Davis, er trifft den mexikanischen Schriftsteller Juan Rulfo und die Soul-Legende Otis Redding, Revolutionäre in Algerien und Mitglieder der Black Panther Party.

»Black is Beltza« ist ein regelrechtes kulturelles und politisches Kompendium linksradikaler und kommunistischer Geschichte in der zweiten Hälfte der kämpferischen und bewegungsintensiven 1960er Jahre. Immer wieder wird über Klassenkampf und Gegenkultur diskutiert, es wird gekifft, LSD-Trips werden eingeworfen, es gibt Konzertbesuche, Demonstrationen - und alle kämpfen fleißig gegen die rassistischen und kapitalistischen Autoritäten, die Manex und seinem Genossen Wilson von der Black Panther Party, mit dem er durch die Welt reist, bald nachstellen.

Manex erinnert in seinem Äußeren - aber auch motivisch - stark an Corto Maltese, die 1967 von dem italienischen Zeichner Hugo Pratt erfundene Comicfigur. Auch die reist durch die Welt und trifft Personen der Zeitgeschichte, nur dass Manex als sozialrevolutionärer Corto Maltese jede Menge bedeutender Orte der damaligen Gegenkultur besucht. Das reicht von den Harlem Riots und Andy Warhols Factory über das legendäre Monterey-Musikfestival bis hin zum Kinobesuch in Algerien, wo gerade »Schlacht um Algier« anläuft, heute ein Klassiker.

»Black is Beltza« ist kein teuer gemachter Animationsfilm, sondern ein Stück politische Pop-Art mit unzähligen intertextuellen Verweisen und nicht wenigen Bezügen vor allem zum kulturellen und politischen Kanon der spanischsprachigen Welt. Ein Schwachpunkt des Films ist die arg heteronormativ geratene Erzählung. Denn »Black is Beltza« ist, salopp gesagt, ein Jungsfilm mit einem männlichen Helden, der hauptsächlich mit anderen männlichen Helden interagiert, überdies sexualisiert stereotype Frauenfiguren trifft und als linksradikaler, gegenkultureller James-Bond-Verschnitt dann auch eine Affäre nach der anderen hat. Dennoch sollte man diesen Film nicht unterschätzen, denn immerhin steckt darin der Versuch, linke Geschichte mit den Mitteln der Popkultur für ein breiteres Publikum zu erzählen. In einigen Momenten entwickelt »Black is Beltza« dann sogar so etwas wie eine sozialrevolutionäre Poesie im Pop-Art-Bildformat.

Auf Netflix ist der Film ausschließlich im Originalton mit Untertiteln zu sehen, wobei eine Synchronisierung dieses vielsprachigen Streifens auch keinen Sinn ergibt. Denn in den Film sind zahlreiche Originaltöne eingebaut, von Muhammad Alis legendärer antirassistischer Ansprache, warum er nicht in Vietnam kämpfen will, bis zu verschiedenen Radio- und Fernsehaufnahmen der damaligen Zeit. Außerdem spricht Manex nicht nur Spanisch, Französisch und Englisch, sondern natürlich auch jede Menge Baskisch. »Black is Beltza« entwickelt durch diese Vielsprachigkeit einen ganz eigenwilligen Sound, der mit reichlich Pop-, Rock- und Punkmusik angereichert wird. Der Titel bezieht sich auf die baskische Übersetzung des Wortes ›schwarz‹: »Black is Beltza«, ruft Manex Black-Panther-Genosse Wilson zu, als sich die beiden am Ende ihrer Reise verabschieden und jeder seiner Wege geht.

»Black is Beltza« auf Netflix

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