Klimaschutz mit der Notenpresse

Die großen Zentralbanken entdecken neben der Preisstabilität allmählich auch das Ziel der Nachhaltigkeit

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

China und Brasilien liegen vorne, wenn es um »grüne« Notenbankpolitik geht. Die Europäische Zentralbank (EZB) muss sich mit einem Mittelfeldplatz begnügen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht, der von Verbänden unter Leitung der britischen Organisation »Positive Money« zu Ostern veröffentlich wurde. Klimapolitisch bewertet wurden die Notenbanken der 20 wichtigsten Indus-trie- und Schwellenländer (G20).

Den Notenbanken von China und Brasilien unterstellen die Autoren des »Green Central-Banking Scorecard Reports« das Bemühen, Banken und Unternehmen, die Umweltkriterien besonders beachten, beispielsweise mit günstigen Zinssätzen zu unterstützen. Dagegen habe die EZB, auch wenn sie den Klimawandel mittlerweile als eine »Hauptquelle von Systemrisiken« bezeichnete, in der Praxis enttäuscht. Insgesamt »füllen die Notenbanken ihre grüne Rhetorik nicht mit Leben«.

Freilich haben Zentralbanker das Thema auch erst seit kurzem auf ihrem Radarschirm. Seit Sommer 2020 werben Spitzenvertreter der EZB, darunter die deutsche Direktorin Isabel Schnabel, häufig für ein stärkeres Engagement gegen den Klimawandel. Das passt zu den Vorgaben von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die bei der Überprüfung der bisherigen geldpolitischen Strategie jeden Stein umdrehen will. »Innovation ist ein Teil der DNA der Zentralbanken«, sagte Lagarde kürzlich auf dem Innovationsgipfel der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) kurz vor Ostern. Es sei ein wichtiges Signal, dass die USA in den Klimafragen wieder zurück im Spiel seien. Auch deren Notenbank Fed ist neuerdings Mitglied im Klimaschutzbündnis »Network for Greening the Financial System« (NGFS), zu dem 89 Notenbanken und Aufsichtsbehörden gehören. Im Juli 2020 hatte sich NGFS nach gut zweijähriger Vorbereitung ein Statut und einen Vorstand gegeben.

Die Möglichkeiten der Notenbanken sind groß. So könnten sie eigene »grüne« Anleihen entwickeln. Die EZB kündigte zudem an, sie werde in einen neuen Fonds investieren, den die BIZ für Zentralbanken auflegt. Dieser soll erneuerbare Energien und umweltfreundliche Vorhaben fördern.

Notenbanken könnten darüber hinaus bei ihren Anleihekäufen mehr »grüne« Wertpapiere kaufen, die Konzerne und Staaten herausgeben. Der Markt dafür ist seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 rasant gewachsen. Laut einer Studie der Climate-Bonds-Initiative erreichte die weltweite Emission nachhaltiger Anleihen 2020 mit einem Volumen von 228,1 Milliarden Euro ein weiteres Rekordniveau.

Kritiker halten viele der »grünen« Wertpapiere allerdings für Mogelpackungen. Der ESG-Anteil sei oft minimal. Das Kürzel steht für Umweltschutz, Sozialverträglichkeit und gute Unternehmensführung. Selbst wenn es allein um Klimaschutz geht, stehen Notenbanken vor einem Dilemma. Der Schutz der Umwelt und des Klimas sei ein »diffuses Ziel«, warnte kürzlich der Vizechef von Tschechiens Notenbank, Marek Mora. So gelte in seinem Land die Atomenergie »als saubere Energie in Bezug auf die CO2-Emissionen«. In Deutschland gelten AKW dagegen in der Grünfinanzszene als Tabu, genau wie Kinderarbeit oder Alkohol. Auch diese Kriterien sind problematisch: Arbeitet also ein ökologisch wirtschaftender Winzer nicht nachhaltig, ein Getränkekonzern mit kalorienreichen Brausen aber nachhaltig?

Neben solchen Fragen wird seit Jahrzehnten in der alternativen Geldszene über die Bewertung von »Best-Practice«-Ansätzen gestritten. Ist ein Chemiekonzern, der seine Emissionen um fünf Prozent senkt, besser als einer, der wie gehabt weiterproduziert? In diesem Sinne verteidigte der neue OECD-Chef Mathias Cormann kürzlich sogar den Export von Kohle aus seinem Heimatland Australien als Beitrag zum Klimaschutz. Sie enthalte weniger Asche und Feuchtigkeit als die Kohle anderer Exportländer. »Für die absehbare Zukunft wird es eine bestimmte Nachfrage geben. Das lässt sich nicht von einem Tag auf den anderen abschalten.« Die OECD besitzt einen Beobachterstatus in der »grünen« NGFS-Initiative der Notenbanken.

Solche Ansätze dürften schwerlich mit dem Bekenntnis zu den weltweiten Klimaschutzzielen unter einen Hut zu bringen sein. Von konservativen Ökonomen kommt zudem die Kritik, Nachhaltigkeitsvorgaben seien ein »Verstoß gegen das EZB-Mandat«, wie es Ifo-Chef Clemens Fuest ausdrückt. Wie die meisten Notenbanken habe die EZB ein klar umrissenes Ziel: Preisstabilität. Um dieses zu erreichen, sei sie unabhängig von anderen politischen Vorgaben.

Notenbanker Mora sieht die Unabhängigkeit ebenfalls in Gefahr, sollte die Geldpolitik auf den Geschmack kommen: Viele Ziele seien schließlich systemrelevant, auch die Bevölkerungsentwicklung oder Globalisierung. Linke Finanzmarktexperten sehen beim Grün-Kurs hingegen weniger die Notenbanken in der Pflicht: Die Verantwortung für Umwelt und Soziales sollten Parlamente und Regierungen tragen.

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