Geballte Fanpower

Mit der Pandemie ist Rassismus gegenüber asiatisch gelesenen Personen sichtbarer geworden. Die weltweit beliebte koreanische Boygroup BTS setzt ein Zeichen dagegen, und die Fans machen mit

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.

Wir erinnern uns daran, wie wir als Asiaten Diskriminierung ausgesetzt gewesen sind. Wir haben ohne Grund Beschimpfungen erfahren und sind für unser Aussehen verspottet worden. Wir sind sogar gefragt worden, warum Asiaten Englisch sprechen.» Diese Zeilen würde man zunächst nicht von einer Popgruppe erwarten, die rund um den Globus von Millionen Fans förmlich vergöttert wird, die vielen jungen Menschen als Stilikonen gelten und die zu den weltweit erfolgreichsten Bands der Welt gehört.

Doch in diesem Brief, den die südkoreanische Boygroup BTS Ende März per Twitter an die Welt gerichtet hat, treten ihre Mitglieder als eine Gruppe von sieben jungen Männern auf, die so verletzlich sind wie wohl jede Person, wenn sie rassistisch angefeindet wird. So ist der Hashtag unterm Tweet, der schon rund eine Millionen Mal geteilt wurde, nicht nur wie gewöhnlich ein digitales Aktenzeichen, sondern auch ein Appell: StopAsianHate, stoppt den Asiatenhass.

In den vergangenen Wochen wurde viel über Rassismus gegenüber Personen asiatischer Abstammung diskutiert. Auslöser dafür war ein Amoklauf Mitte März im US-amerikanischen Atlanta, wo ein junger Mann in einem Massagesalon acht Personen erschoss, die überwiegend asiatischer Abstammung waren. Auch falls es keine rassistischen Motive gewesen sein sollten, kommt dieser Vorfall in einer Zeit, in der antiasiatischer Rassismus ohnehin sichtbarer wird.

Vor einer Woche veröffentlichte das britische Magazin «The Economist» eine Untersuchung in den USA, nach der seit Beginn der Pandemie rund 40 Prozent der Menschen mit asiatischen Wurzeln Situationen erlebt haben, in denen sich Mitmenschen in ihrer Nähe unwohl zu fühlen schienen. 30 Prozent haben Witze oder Beleidigungen mit Bezug auf ihr Aussehen erfahren, ein Viertel fürchtet Opfer von Angriffen zu werden. Das Phänomen ist allerdings kein US-amerikanisches. Auch in Europa sind Fälle von antiasiatischem Rassismus sicht- und hörbarer.

So berichtete Christoph Nguyen, Politikwissenschaftler an der FU Berlin und Experte für Integrations- und Rassismusforschung, schon im vergangenen Herbst von einer in Deutschland während der Pandemie durchgeführten Umfrage über die Wahrnehmung verschiedener Bevölkerungsgruppen. Nguyen zufolge wurden Menschen asiatisch gelesener Abstammung zuvor oft als «Vorzeigemigrant*innen» gesehen, die gut gebildet und integriert seien. Mit dem Beginn der Pandemie sei dieses eher positive Bild aber getrübt. Asiatisch aussehenden Menschen werde vermehrt eine Mitverantwortung für den Ausbruch gegeben, in ihnen eine Gefahr erkannt. Laut der Studie «Soziale Kohäsion in Krisenzeiten» von mehreren deutschen Universitäten haben 80 Prozent der befragten Personen mit asiatischem Aussehen seit Beginn der Pandemie verbale und körperliche Angriffe erlebt. Die Hälfte berichtet, die Diskriminierung gegen sie habe zugenommen.

So könnte ein klares Statement von so prominenten Gruppen wie BTS ein wichtiges Zeichen setzen. Auf Twitter haben die sieben jungen Männer aus Südkorea, die mit ihrem durchgestylten und bubenhaften Look jenem der Boybands aus den 1990er Jahren ähneln und seit Jahren immer wieder die Charts diverser Länder mit neuen Hits stürmen, 34 Millionen Follower. Auf Instagram sind es sogar über 39 Millionen.

Mehrmals haben BTS diese Plattformen auch schon aktivistisch genutzt. So solidarisierten sie sich letztes Jahr zu Beginn der Black-Lives-Matter-Proteste mit der Bewegung. Zuvor hatten sie sich gegen die mehrfach rassistischen Äußerungen von Donald Trump gestellt - zum Gefallen ihrer Fans. Die internationale K-Pop-Fangemeinde, die überwiegend jung und digital gut vernetzt ist, sabotierte auch durch koordiniertes Posting in sozialen Medien eine Wahlkampfveranstaltung des damaligen US-Präsidenten.

«Die K-Pop-Fans außerhalb der koreanischen Halbinsel bestehen aus kulturell, sprachlich und ethnisch unterschiedlichen heterogenen Gruppen», berichtet Jean Yhee, Sozialwissenschaftler am Institut für Koreastudien an der FU Berlin. Wie auch andere Bands der K-Pop genannten Popmusik aus Südkorea, behandelt die Band BTS in ihren Texten oft soziale Probleme wie Leistungsdruck und Ausgrenzung. Hiermit identifizieren sich junge Fans von heute, so Yhee. «Das gemeinsame Hören ist ein Moment des Empowerments: Man darf anders sein, wofür man auch geliebt werden kann. Auf natürliche Art und Weise werden sie kulturell sensibilisiert.»

Nur macht gerade diese Hinwendung zu multikulturalistischem Denken die K-Pop- und BTS-Fans zu einer auf diese Weise homogenen Gruppe. Und wer das Funktionieren von Filterblasen kennt, wird ahnen, dass Anti-Rassismusstatements wie jenes von BTS vor allem bei jenem Publikum Beachtung findet, das deren Absendern bereits folgt. Um auch alle anderen zu erreichen, müsste selbst eine so global erfolgreiche Boyband wie BTS noch die eigene Reichweite vergrößern.

Wobei die Fans von BTS, die sich selbst auch als Armee bezeichnet, dies schon geschafft haben. Zu Beginn der Black-Lives-Matter-Proteste kaperten sie Hashtags wie WhiteLivesMatter und posten mit diesen Stichworten K-Popbilder. So wurde jenen, die in Protesten gegen Rassismus wenig Sinn erkennen wollten, viel Wind aus den Segeln genommen. So etwas könnte erneut Wirkung zeigen.

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