- Politik
- Umgang mit der AfD
Abgrenzen und ausschließen
Im Superwahljahr muss die CDU ihren Umgang mit der AfD klären, so der Politologe Michael Lühmann
Das Superwahljahr begann für die AfD mit zwei Niederlagen. Bei den Wahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz verlor die Partei ungefähr ein Drittel ihrer Wähler*innen. Lag das an der Schwäche der Landesverbände, oder hatte das eher bundespolitische Gründe?
Ich glaube, es ist beides. Wenn man noch die Kommunalwahl in Hessen dazunimmt, wo die AfD auch massiv verloren hat, scheint mir ein genereller Trend dahinterzustecken. Wenn man sich die Nachwahl-Befragungen anschaut, sieht man, dass es eine recht erfolgreiche Strategie war, die AfD als extrem rechte Partei an den Rand zu drücken, sie vom politischen Diskurs auszuschließen, nicht mehr zu kopieren und damit auch ihre Wählerschaft zu demobilisieren. Diese ist nämlich massiv zu Hause geblieben.
Der Historiker und Politologe, 1980 in Leipzig geboren, forscht am Institut für Demokratieforschung der Georg-August-Universität Göttingen zur Entwicklung deutscher Parteien, darunter auch der Grünen. Sein Interesse gilt ebenso der AfD und der politischen Landschaft in Ostdeutschland.
Auch in Sachsen-Anhalt wird im Juni gewählt. Dort steht die AfD in Umfragen bei etwa 20 Prozent. Warum passiert dort nicht, was wir jetzt im Südwesten erlebt haben? Liegt das womöglich an der fehlenden politischen Ausgrenzung?
Mit Sicherheit ist die fehlende Ausgrenzung ein Problem, besonders in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist das ein bisschen anders, da verliert die AfD inzwischen laut Umfragen deutlich. Wir sehen, wenn die klare Abgrenzung fehlt, dass dies die AfD stark macht, weil Wähler*innen dann eben doch eher zum Original tendieren. Die Frage dabei ist immer: Haben die anderen Parteien das zu lange schleifen lassen? Kann man das noch umdrehen? Ich denke, ja.
Wie groß ist der Anteil der CDU an dem ganzen Dilemma?
Wir haben einige Beispiele in der Vergangenheit erlebt, etwa mit der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen, als Thomas Kemmerich mit Stimmen von AfD, CDU und FDP gewählt wurde. Es gibt auch Beispiele aus Sachsen-Anhalt, darunter den CDU-Politiker Lars-Jörn Zimmer, der vor zwei Jahren forderte, das »Soziale wieder mit dem Nationalen« zu verbinden. Da haben wir gesehen, dass es eine große Offenheit gegenüber der AfD gibt. Auch in Sachsen war dies der Fall, bis Ministerpräsident Michael Kretschmer ein bisschen die Reißleine gezogen hat.
Es sind diese drei CDU-Landesverbände, die am deutlichsten versuchen, die AfD durch inhaltliche Übernahmen einzugemeinden und durch Nichtabgrenzung anzugreifen. Genau das geht immer wieder schief.
Spielt bei der Zurückdrängung der AfD die Debatte um eine Überwachung durch den Verfassungsschutz auch eine Rolle - und wenn ja, wie groß ist diese?
Sie spielt insofern eine Rolle, als dass sie in der CDU dazu führt, dass das Bemühen um Abgrenzung größer wird. Wir haben bei den Wahlen im Südwesten gesehen, wie die AfD klarer als extrem rechte Partei und nicht mehr als rechtspopulistisch markiert wurde. Das macht einen Unterschied.
Das hat schon bei den Republikanern in den 90ern einen Unterschied gemacht. Rechtsradikal war damals das Wort der Stunde. Auch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz hat letztlich genutzt. Das hat im Prinzip die Republikaner auf lange Sicht klein gemacht. In Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen scheut man diese Deutlichkeit bisher.
Der Umgang mit dem Verfassungsschutz ist maßgeblich für den Machtkampf innerhalb der AfD. Parteichef Jörg Meuthen ruft ein bisschen zur verbalen Mäßigung auf und will damit gleichzeitig die völkischen Nationalisten zurückdrängen. Die wiederum sagen, die Partei solle darauf pfeifen, was der Geheimdienst sagt. Wer wird sich durchsetzen?
Der Blick in die Geschichte der Partei zeigt, dass die gemäßigten Kräfte nie gewonnen haben und die AfD sich eigentlich immer weiter radikalisiert hat. Wobei natürlich bei Meuthen gilt, dass er selbst kein Gemäßigter ist, sondern den »Flügel« jahrelang gestützt hat. Das ist im Prinzip ein purer Machtkampf und keiner, der sich um Ideologie dreht.
Im Bundesvorstand weiß Meuthen aktuell eine Mehrheit hinter sich. Wie es dagegen in den Landesverbänden aussieht, weiß man nicht so genau. Wenn man die Landtagswahlen als Maßstab nimmt, dann sieht man, dass die westdeutschen Landesverbände, die in der Tendenz nur ein wenig gemäßigter sind, verlieren. Am stabilsten und stärksten steht die Partei dagegen dort da, wo sie am radikalsten auftritt, also in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Insofern glaube ich, dass von dort weiter Druck zunehmen wird. Verluste im Westen und Gewinne am radikalsten Ende im Osten, das macht auch was mit der Architektur in der Partei.
Ob sich Meuthen an der Parteispitze halten kann, dürfte auch stark davon abhängen, wie die AfD bei der Bundestagswahl abschneidet. Seit längerer Zeit schwankt die Partei in Umfragen zwischen neun und zwölf Prozent. Entspricht dies dem Stammwählerpotenzial der Partei?
Bei zwölf Prozent bin ich skeptisch. Natürlich verfügt die AfD über ein gewisses Stammwähler*innenpotenzial. Wo das genau liegt, ob nun bei sieben, acht oder neun Prozent, lässt sich nicht genau sagen. Was wir aus Studien wissen: Rechte Einstellungsmuster sind in der Bevölkerung deutlich weiter verbreitet. Mit der AfD gibt es eine Partei, die auf diese Einstellungsmuster passt.
Inwieweit die AfD dieses Potenzial mobilisieren kann oder es gelingt, durch Ausgrenzung diese potenziellen Wähler*innen zu demobilisieren - das wird, glaube ich, die entscheidende Frage sein, wie viel die Partei am Ende wirklich aufs Papier bekommt.
Die AfD wird im Wahlkampf die Coronakrise thematisieren. Zu Beginn der Pandemie sandte die Partei zunächst noch widersprüchliche Signale aus, etwa was ihre Position zur Viruseindämmung angeht. Mittlerweile haben sie sich darauf eingeschossen, eine Anti-Lockdown-Partei zu sein. Warum profitiert die AfD bisher überhaupt nicht davon?
Im Prinzip ist die harte Corona-Gegnerschaft schon längst bei der AfD. Für die ist auch gar nicht die Corona-Gegnerschaft das große Thema, sondern die Gegnerschaft zur Demokratie, die man über Corona, über Geflüchtete oder über die Euro-Schiene anbringen kann. Das Thema ist im Prinzip egal.
Wie sollten die anderen Parteien im Bundestagswahlkampf mit der AfD umgehen? Ignorieren und einfach die eigenen Inhalte platzieren oder sich mit ihr inhaltlich auseinandersetzen?
Das Beste ist eine Mischung aus eigenen Themen, klarer Abgrenzung - und die Stöckchen, die die AfD wirft, einfach liegen zu lassen. Einfach rechts liegen lassen, wo sie hingehören. Man muss nur klarmachen, dass man in Gegnerschaft zur AfD steht, und das war’s. Man muss nicht inhaltlich begründen, warum man gegen eine extrem rechte Partei ist.
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