Teure Richterschelte für Schleswig-Holstein

Beamten des Bundeslandes wurde laut Urteil jahrelang zu wenig Gehalt bezahlt

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Sind 16 700 Beamte höherer Besoldungsgruppen in Schleswig-Holstein seit dem Jahr 2007 zu niedrig entlohnt worden? Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig bejaht diese Frage Ende März. Das OVG revidierte damit eine Entscheidung des erstinstanzlichen Verwaltungsgerichts. Zu verantworten hatte die nun offenbar rechtswidrige Streichung des Weihnachtsgeldes die damalige Große Koalition unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und Finanzminister Rainer Wiegard (beide CDU). Auch die 2007 mit an der Regierung beteiligte SPD stützte seinerzeit den umstrittenen Sparbeschluss, den Beamten das Weihnachtsgeld zu streichen.

Der Richterspruch könnte für das Bundesland, das heute von CDU, Grünen und FDP regiert wird, sehr teuer werden. Wenn das Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Bestand hat, drohen Schleswig-Holstein Nachzahlungen in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro. Betroffen vom OVG-Urteil sind die Besoldungsgruppen A 13, A 15 und A 16, nachdem 2018 bereits der niedrigeren Besoldungsgruppe A 7 und dranhängenden 1600 betroffenen Beamten richterlich eine Unteralimentierung attestiert wurde.

Den Stein ins Rollen gebracht hat eine Schulleiterin aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde, die sich stellvertretend für die Musterklage der Gewerkschaft GEW zur Verfügung stellte. Sie sagt heute, ihr gehe es gar nicht einmal um das Geld, sondern um die 2007 erfolgte doppelte ungerechte Behandlung: Zunächst hatte man die Arbeitszeit verlängert, ehe man dann auch noch das Weihnachtsgeld gestrichen hatte. Sollte das Land Schleswig-Holstein endgültig dazu verdonnert werden, den Beamten nachträglich 14 Weihnachtsgelder zu zahlen, würde die 61-jährige Klägerin ungefähr 77 000 Euro brutto erhalten.

Aus rechtlicher Sicht gibt es gleich mehrere Parameter, die bei der Beamtenbesoldung Berücksichtigung finden müssen. Dazu zählt unter anderem der adäquate Anstieg der Gehälter über 15 Jahre für das Stichjahr 2007, also rückbetrachtet seit 1993, im Vergleich mit der Lohnentwicklung bei den Landesangestellten. Weiteres Kriterium ist der Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau. In diesem Falle geht die Rechtsprechung davon aus, dass Beamte mindestens 15 Prozent mehr Geld zur Verfügung haben als Hartz-IV-Empfänger. Gleich für mehrere Besoldungsgruppen wurde das im nördlichsten Bundesland gemessen am Jahr 2007 nicht erreicht, rechnete das OVG vor. Auch beim für die Berechnungen hinzuzuziehenden Vergleich gegenüber dem Verbraucherpreisindex ist für Schleswig-Holsteins Beamte eine Unteralimentierung festzustellen.

Die GEW nennt die Überprüfung durch den Zweiten Senat des OVG eine »klatschende Ohrfeige für das Land«. Die Streichung des Weihnachtsgeldes 2007 sei ein »ungerechtes Notopfer und ein nicht gerechtfertigter Einschnitt in die Besoldung« gewesen, kommentierte die GEW-Landesvorsitzende Astrid Henke die Schleswiger Richterschelte. In der Urteilsbegründung spricht das Gericht von einem einseitigen Sonderopfer, das den Beamten aus haushalterischen Gründen nicht hätte auferlegt werden dürfen.

»Die Entscheidung des OVG ist für die GEW ein großer Erfolg«, so Henke. Man habe über ein Jahrzehnt gegen die Streichung des Weihnachtsgeldes protestiert und auch gerichtlich einen langen Atem bewiesen. Die Gewerkschaft blicke nun zuversichtlich und gespannt auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. »Das Land ist in der Pflicht, für eine rechtmäßige Alimentation in Schleswig-Holstein zu sorgen«, so die Gewerkschafterin abschließend.

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