Auf zum letzten Geschacher beim Infektionsschutz

Reichlich Irrungen und Wirrungen lösten die zuletzt monatlich abgehaltenen Konferenzen der Ministerpräsident*innen aus. Das soll nun enden.

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Bundesweit einheitlich und ab 100 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern binnen einer Woche: Eine klar definierte »Notbremse« soll am kommenden Dienstag im Bundeskabinett beschlossen und im Bundestag beraten werden.

Neben einer Testpflicht an Schulen und der Schließung von Geschäften sollen bei einer Überschreitung der 100er-Inzidenz auch strikte Kontaktbeschränkungen und eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft treten. Überschreitet die Inzidenz den Wert von 200, wird der Präsenzunterricht an Schulen eingestellt.

Eigentlich war längst verabredet, dass ein Anstieg der 7-Tage-Inzidenz zu Maßnahmen beim Infektionsschutz führen sollte. Der Anstieg kam und wurde in immer mehr Orten verzeichnet. Doch es passierte zu wenig und vor allem nicht schnell genug. Schon vor Ostern war klar, dass ein härterer Lockdown kommen müsste. Maßnahmen wurden geplant, verkündet und wieder zurückgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übernahm die Verantwortung für die Irritation und versprach, binnen 14 Tagen zu handeln.

Die nun geplanten Regelungen gehen über die bisherigen Maßnahmen kaum hinaus. »Ich lese jetzt schon zum dritten Mal die Novelle Infektionsschutzgesetz und suche immer noch die Worte: Homeoffice, Betriebsschließung, Arbeitsschutz«, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag Martina Renner die geplanten Änderungen. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gehen die Regelungen nicht weit genug. Er will eine Testpflicht für Unternehmen erreichen. »Alle müssen jetzt ihren Beitrag im Kampf gegen Corona leisten, auch die Arbeitswelt«, sagte Heil der »Bild am Sonntag«. Es müssten die geschützt werden, die nicht von zu Hause arbeiten könnten. Heil will dies über flächendeckende Tests in den Betrieben erreichen. Je nach Arbeitsumfeld solle es ein Anrecht auf ein bis zwei Tests pro Woche geben.

Achim Kessler, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion, forderte weitergehende Maßnahmen. Nicht zwingend erforderliche Bereiche von Betrieben müssten bei vollem Lohnausgleich für die Beschäftigten geschlossen werden können. »Die Bundesregierung muss in ihrer Politik auch die sozialen Folgen sämtlicher Maßnahmen berücksichtigen und eine faire Lastenverteilung sicherstellen«, so Kessler weiter. »Das beinhaltet einen sofortigen monatlichen Corona-Aufschlag von 100 Euro auf Hartz IV, die Anhebung des Kurzarbeitergelds und eine solidarische Finanzierung der Kosten der Pandemie durch eine Corona-Abgabe und eine Vermögenssteuer.«

Unzufriedenheit auch bei den Grünen. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt mahnte gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: »Es braucht jetzt umfassende Beschränkungen und ein verfassungskonformes Vorgehen, um die dritte Welle zu brechen.« Sie forderte auch, bei den Maßnahmen künftig zwischen geimpften und nicht-geimpften Menschen zu unterscheiden.

FDP-Fraktionschef Christian Lindner sieht den Entwurf als »nicht zustimmungsfähig« an und kündigte inhaltliche Änderungsanträge an. »Wir haben im Gegensatz zur Bundesregierung Zweifel, ob dieses Gesetzgebungsvorhaben nicht doch der Zustimmung des Bundesrates bedarf«, so Lindner gegenüber Funke.

Kritik kam auch aus mehreren Bundesländern. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) warnte ebenfalls eindringlich vor einer Kompetenzverschiebung zugunsten des Bundes in der Pandemie. »Fakt ist: Dort, wo der Bund die Befugnisse hatte, hat er zum Teil kläglich versagt«, sagte Pistorius der »Welt« vom Montag. Als Beispiele nannte Pistorius die Beschaffung von Impfstoff und Schutzausrüstung.

Derweil meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) am Sonntag 17 855 Neuinfektionen mit dem Coronavirus binnen eines Tages. Demnach wurden 104 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus registriert. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 129,2. Mit Agenturen

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