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Unzureichender Beschluss
Simon Poelchau über die Pflicht der Chefs, Coronatests anzubieten
Diesmal hat sich die SPD durchgesetzt: Ab kommender Woche müssen Arbeitgeber*innen Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten, mindestens einmal die Woche Coronatests anbieten. Ob das den Sozialdemokraten im September an den Wahlurnen helfen wird, ist ungewiss.
Was gewiss ist: So sehr die Arbeitgeber*innen jetzt über die Pflicht zum Angebot schimpfen, so wenig ist das Papier wert, auf dem sie ihre Selbstverpflichtung zum schnellen Testen schrieben. 90 Prozent aller Unternehmen in der Industrie würden schon Coronatests anbieten oder steckten »mitten in der Planung«, hieß es zuletzt seitens der vier großen Arbeitgeberverbände. Würde diese Zahl stimmen, dann könnten sie entspannter mit der neuen Regel umgehen und würden nur über das Wann und Wie feilschen. Dass sie jetzt vor Wut schäumen, zeigt, dass sie vergeblich mit der Zahl geblufft haben.
Doch muss man auch fragen, wie verbindlich die Angebotspflicht von Coronatests in der Praxis sein oder ob sie nur ein Papiertiger sein wird. So heißt es seitens des Bundesarbeitsministeriums, dass die Arbeitsschutzbehörden der Länder die Einhaltung der Pflicht kontrollieren sollen – etwa auf Beschwerde der Angestellten hin. Doch weil diese in den vergangenen Jahren kaputt gespart wurden, werden Betriebe im Schnitt nur jedes Vierteljahrhundert kontrolliert. Und auf Anzeigen aus den Betrieben zu warten, reicht auch nicht aus. Schließlich wälzt dies die Verantwortung auf die Angestellten ab, die sich dann massiv mit ihren Chefs anlegen müssen. Das setzt ein Konfliktfähigkeit voraus, die in Zeiten einer Krise und damit verbundenen Sorgen um einen Jobverlust vermutlich nicht alle haben werden. So wird die jetzt beschlossenen Maßnahme nicht ausreichen, den Arbeitsplatz sicherer zu machen.
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