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Zu späte Beweissichtung

Bundeskriminalamt lässt sich im Fall Anis Amri zu viel Zeit

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 2 Min.
»Es ist richtig, die Asservate des Attentäters aus Italien zu holen. Es ist falsch, dies erst nach vier Jahren Ermittlungsverfahren und drei fast abgeschlossenen Untersuchungsausschüssen zu tun.« Martina Renner, Obfrau der Linksfraktion im Untersuchungsausschuss zum Attentat vom Breitscheidplatz, kann sich über den kleinen Erfolg nicht so recht freuen.

Vier Jahre nach dem Anschlag, bei dem der Attentäter Anis Amri mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz fuhr, elf Menschen tötete und mindestens 67 schwer verletzte, zog das Bundeskriminalamt BKA nun Konsequenzen aus einem Gutachten, das der Bundestagsausschuss hatte anfertigen lassen. In einer Fragestunde des Bundestages hatte Renner mit einer sogenannten mündlichen Frage das BKA an die Zusage erinnert, die Ende März bei der Besprechung des Tatortgutachtens gemacht wurde, die Asservate endlich zu sichten.

Amri war auf seiner Flucht von Deutschland über Frankreich am 23. Dezember 2016 im Mailänder Vorort Sesto San Giovanni in eine Personenkontrolle der Polizei geraten. Amri feuerte nach Angaben der Polizisten unmittelbar, verletzte einen der Beamten und wurde daraufhin erschossen. Weder die in Italien sichergestellte Tatwaffe, noch die Kleidung des Attentäters hatte das Bundeskriminalamt untersucht. Auch beim Leichnam des Attentäters gaben sich die deutschen Ermittler mit Fotos und Akten der italienischen Behörden zufrieden. Man vertraute auf europäische Standards.

Tatortexpert*innen hatten in einer Sitzung des Bundestagsuntersuchungsausschusses Ende März bemängelt, dass die Tatwaffe nicht eingehender untersucht worden ist. So wurde in Italien nur unzureichend nach sogenannten »Back Splatter«-Spuren gesucht. Diese Rückwärtsspritzer können zu DNA-Spuren der Opfer im Rohr einer Waffe führen. Das BKA hatte den verworfenen Ermittlungsansatz damit begründet, dass mit der Tatwaffe, mit der Amri auch den Lastwagenfahrer Lukas U. erschossen hatte, danach noch weitere Schüsse abgegeben worden waren. Expert*innen hatten diese Aussage im Ausschuss aber kritisiert. Zwar reduziere eine weitere Schussabgabe die Wahrscheinlichkeit, auf »Back Splatter«-Spuren zu stoßen, doch sei in anderen Fällen selbst nach mehreren Schussabgaben noch Spurenmaterial sicherzustellen gewesen.

»Ich habe immer darauf gedrängt, dass eine Auswertung der DNA-Spuren beim BKA stattfindet. Das wurde drei Jahre lang abgelehnt«, kritisiert Renner. Der Generalbundesanwalt hatte erst am 31. März 2021 als Reaktion auf die Ausschusssitzung ein Rechtshilfeersuchen gestellt. »Ich hoffe wir erhalten nun mehr Klarheit über mögliche Mittäter und Hintermänner des Anschlags«, so Renner. Es sei aber zu befürchten, dass es für neue Ermittlungsansätze zu spät sein könnte.

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