Vom Erfinden der Reichtümer

SIEBEN TAGE, SIEBEN NÄCHTE: Wirecard und Bitcoins

»Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?« Mit diesen Worten wies Bertolt Brecht nicht nur darauf hin, welch überlegene Mittel der Kapitalismus jenen an die Hand gibt, die sie ganz legal nutzen - überlegen im Verhältnis zu jenen Personen, die ihr Geld mit Einbrüchen bei den legal Wirtschaftenden machen. Zudem kann man sie als Kritik an der gesellschaftlichen Praxis lesen, Verbrechen und Skandalen große Aufmerksamkeit zu schenken und weniger dem kapitalistischen Alltag.

Diese Praxis zeigt sich derzeit am Fall Wirecard, dem größten Wirtschaftsbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik, zu dem es einen eigenen Untersuchungsausschuss gibt, vor den am Freitag sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel geladen wurde. Wirecard war einst ein deutsches Vorzeigeunternehmen aus dem Bereich Internet-Finanzdienstleistungen. Es bot Lösungen für elektronischen Zahlungsverkehr, Risikomanagement und die Herausgabe von Kreditkarten. Die Wirecard Bank AG verfügte sogar über eine Banklizenz für Deutschland. Irgendwann kam heraus, dass das Management Einnahmen erfunden hatte. Am 25. Juni 2020 meldete Wirecard Insolvenz an, nachdem 1,9 Milliarden Euro irgendwie »fehlten«. Nun geht der Streit darum, wer besser hätte aufpassen müssen, wer hier versagt hat, wer weggeschaut und wer betrogen.

So weit der deutsche Skandal. Während die Wirecard-Chefs also wohl ein paar Milliarden Euro erfunden haben, werden an anderer Stelle ganz andere Summen aus der leeren Luft geschöpft, und zwar ebenfalls im Bereich Internet-Zahlungsverkehr: Die Rede ist von sogenannten Digitalwährungen oder Kryptogeldern wie Bitcoin oder Dogecoin. Es ist ein bisschen schwierig zu erklären, worum es sich dabei handelt, denn die »digitalen Gelder« sind zwar digital, aber eben kein Geld. Mit diesen könnte theoretisch im Internet bezahlt werden, nur findet das nicht statt.

In diesem Sinne haben Bitcoin & Co keinen Zweck. Das hält aber die Finanzmärkte nicht davon ab, auf sie zu spekulieren. Und wie! Ein Bitcoin kostete vor fünf Jahren noch 400 Dollar, vor einem Jahr 7000 und derzeit etwa 45 000 Dollar. Alle existierenden Bitcoins addiert sind inzwischen etwa eine Billion Dollar »wert«. Der Neuling Dogecoin kommt auf etwa 200 Milliarden. Alle »digitalen Währungen« addiert kosten aktuell 2,25 Billionen Dollar - also 2250 Milliarden Dollar für etwas, das niemand benutzen und mit dem man sich noch nicht einmal die Wände tapezieren kann. Die Nachfrage nach den Kryptopseudogeldern existiert allein durch die Spekulation darauf, dass ihre Preise weiter steigen. Um die Nachfrage aufrechtzuerhalten, muss der Preis aber auch steigen - sollte Bitcoin es nicht schaffen, nachhaltig über die 60 000-Dollar-Marke zu springen, droht dem Aufschwung die Puste auszugehen, warnte diese Woche die US-Bank JP Morgan Chase.

Verboten ist das nicht, warum auch? Es hat ja niemand behauptet, Kryptowährungen wären zu irgendetwas nutze.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.