Es wird kräftig an der Gebührenschraube gedreht

Sparkassen und die Girokonten

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Hamburger Kunden werden für ihre Girokonten kräftig zur Kasse gebeten. Die Gebühren steigen in diesem Frühjahr um bis zu 32 Prozent. Bei Geschäftskunden verteuern sich die Gebühren sogar um 40 Prozent. Dies ergaben Recherchen des »Hamburger Abendblattes«. Betroffen sind die Kunden von nahezu allen namhaften Banken und Sparkassen, die in Hamburg ihre Dienstleistungen anbieten.

Der Grund für den Trend zu hohen Gebühren, der die gesamte Branche erfasst hat, sind die sinkenden Gewinne. Wegen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) gehen die Zinserträge der Banken und Sparkassen zurück. Die sind aber traditionell das Brot-und-Buttergeschäft der Branche. Zugleich steigen der Kosten um durchschnittlich vier Prozent pro Jahr. Daher drehen die Geldinstitute an der Gebührenschraube. Das trifft auch das Girokonto. Allerdings decken die Kontogebühren nur einen kleinen Teil der sinkenden Erträge im Zinsgeschäft ab.

Günstige Zeiten vorbei

Jahrzehntelang hatten Banken und Sparkassen Girokonten günstig oder - vor allem für Kinder und Jugendliche - kostenlos angeboten. »Mein Konto« galt quasi als Einstiegsdroge, um neue Kunden zu gewinnen. Infolge des demografischen Wandels unserer Gesellschaft, wenige Junge, viele Alte, gilt der Markt jedoch als abgegrast.

Die wirtschaftliche Lage grundlegend verändert hat das Online-Banking. Die klassische Filialbank mit ihrer teuren Infrastruktur hat dadurch die Chance verloren, über den Preis Kunden anzuziehen. Statt Preisführerschaft streben Manager nun notgedrungen die Qualitätsführerschaft in ihrer Region an.

Vor diesem Hintergrund versuchen die meisten Institute nunmehr, ihre Zahlungsverkehrsabteilungen zum Goldesel zu mutieren. Vorreiter war die größte deutsche Sparkasse, die Haspa. 1999 führte die Hamburger Sparkasse unter dem Namen »Haspa Joker« das erste sogenannte Mehrwertkonto ein.

Anders als damals üblich wurde das Joker-Konto pauschal mit einer vergleichsweise hohen Grundgebühr bepreist. Im Gegenzug erhielten die Kunden Gutscheine für Drogerien und Kinos, Sonderangebote von Reisebüros sowie geldwerte Tipps und Tricks zugespielt. Der Erfolg gab dem damaligen Haspa-Vorstand Recht. Heute bieten fast alle Sparkassen und Banken in der Hansestadt Mehrwertkonten an. Premium-Varianten kosten bis zu 300 Euro im Jahr.

Entwicklungen wie in Hamburg lassen sich in allen Regionen Deutschlands beobachten. Das hat für Verbraucher den Vergleich der verschiedenen Angebote nahezu unmöglich gemacht. Ein Problem, das weit über unsere Landesgrenzen hinausgeht. Die Europäische Union reagierte darauf 2014 mit dem sogenannten Zahlungskontengesetz - nach Richtlinie 2014/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen.

Diese Richtlinie will Verbrauchern vor allem den Wechsel der Bank erleichtern. Und sie schreibt den Mitgliedstaaten vor, den Verbrauchern gebührenfreien Zugang zu mindestens einer Website zu ermöglichen, die Entgelte für Girokonten vergleicht (Artikel 7 Absatz 1). Es besteht zudem die Pflicht, »eine breite Palette an Zahlungskontoangeboten, die einen wesentlichen Teil des Marktes abdeckt«, zu berücksichtigen.

EU setzt Regierung unter Druck

Allerdings hielt sich dann das Interesse von möglichen Anbietern bundesweit in Grenzen. Als einziger Anbieter durchlief Check24 den aufwendigen und kostspieligen Zertifizierungsprozess. Nach juristischen Scharmützeln mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Berlin stellte das Portal seinen Kontenvergleich Anfang des Jahres wieder ein. Verbraucherschützer warfen dem Münchner Portalbetreiber vor, den riesigen Markt der Girokonten nur ungenügend abzudecken.

Um die EU-Auflage zu erfüllen, braucht Deutschland nun ein neues, lizenziertes Vergleichsportal für Girokonten. Was Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ausgerechnet im Bundestagswahljahr politisch unter Druck setzt. Hilfe kommt nun von der Stiftung Warentest. Seit dem 8. April 2021 stellt sie ihren bislang gebührenpflichtigen umfassenden Girokontenvergleich kostenlos zur Verfügung. »Wir sichern damit allen Verbrauchern Zugang zu einer objektiven und kostenlosen Vergleichswebsite«, erklärt eine Sprecherin.

Der Vergleich der Stiftung Warentest umfasst derzeit mehr als 300 Kontenmodelle von mehr als 130 überregionalen und regionalen Banken und Sparkassen. Je Kontomodell sind über 50 Merkmale erfasst, nach denen Nutzer das für sie passende Konto herausfiltern können. Der Girokontenvergleich ist abrufbar unter test.de/girokonten.

Diese Übergangslösung soll voraussichtlich bis 2022 gelten. Finanzminister Scholz hatte nach dem Check24-Debakel die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin), die zum Amtsbereich seines Ministeriums gehört, in die Pflicht genommen. Im zweiten Quartal des kommenden Jahres soll nach der bisherigen Planung die Bafin eine staatliche Vergleichswebsite für Girokonten in Betrieb nehmen. Gerüchteweise sollen an der technischen Umsetzung des Projektes auch Hamburger Firmen beteiligt werden.

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