- Wirtschaft und Umwelt
- Nationale Radverkehrskongress
Mit Kostenwahrheit und sinnvollen Verkehrswegen
Während die Bundesregierung ein bisschen Geld für Radstrecken lockermacht, verlangen Umweltverbände eine echte Politikwende
Beim Nationalen Radverkehrskongress lässt sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gerade für seinen »Radverkehrsplan 3.0« feiern. Demnach soll das lange vernachlässigte, umweltfreundliche Verkehrsmittel endlich stärker gefördert werden. In den nächsten drei Jahren will der Bund knapp 1,5 Milliarden Euro investieren und Deutschland so zum Fahrradland machen. Der Fahrradclub ADFC nannte den Plan eine »kleine Revolution«. Mobilitätsforscher Andreas Knie spricht dagegen von einem »lauen Lüftchen«, das an der autofixierten Verkehrspolitik wenig ändere. Die Summe entspreche nicht einmal dem, was in Berlin für drei Kilometer der Autobahn A 100 ausgegeben wird.
Sehr viel grundlegendere Veränderungen fordern auch die Umweltverbände - im gesamten Bereich Mobilität. »In keinem Bereich gibt es einen so großen Reformstau«, sagt Kerstin Haarmann, die Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland, die auch dem Präsidium des Deutschen Naturschutzrings (DNR) angehört. Ablesen lässt sich das an der Klimalast des Sektors. Durch Corona gingen die CO2-Emissionen hier zwar vergangenes Jahr zurück. Doch rechnet man die pandemiebedingten Effekte heraus, ergibt sich laut Berechnungen des Umweltbundesamtes ein mageres Minus von 0,8 Prozent gegenüber 1990. Bis 2030 will Deutschland beim Verkehr aber 42 Prozent einsparen. »Um das zu schaffen«, sagt Haarmann, »ist eine ganze Reihe harter Maßnahmen nötig.«
Wie diese aussehen könnten, hat der DNR nun gemeinsam mit Greenpeace und der Allianz pro Schiene in zehn Forderungen zur Bundestagswahl zusammengefasst. Eine »Antriebswende« soll noch in diesem Jahrzehnt die Neuzulassung von Pkw mit Verbrennungsmotor beenden, flankiert mit Sozialprogrammen für die betroffenen Beschäftigten. Im Schienennetz soll der Elektrifizierungsgrad bis 2030 auf mindestens 75 Prozent steigen. Derzeit sind es lediglich 61 Prozent. »Das ist eine kümmerliche Bilanz«, sagt Dirk Flege von der Allianz pro Schiene.
Ein verbessertes ÖPNV- und Bahnangebot soll zudem die Verkehrswende anschieben und die Zahl der Pkw deutlich senken - mit einer Verdopplung der Mittel bis 2025 und der Einführung eines Deutschlandtakts ab 2030. Damit Menschen schnell, komfortabel und günstig auch ohne eigenes Auto unterwegs sein können, soll eine »Mobilitätsgarantie« eingeführt werden, die den ÖPNV zur besten Option macht. In der Schweiz gibt es dies bereits. Auch Österreich sowie die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Sachsen planen dies. »Das wäre ein völlig neuer Ansatz«, sagt Flege. »Bei jedem neuen Gewerbegebiet wird mit Steuergeld ein Straßenanschluss gebaut, nicht aber ein Schienenanschluss.« Das müsse sich ändern.
Neben dem Neu- und Ausbau des Schienennetzes sollen auch stillgelegte Strecken wieder reaktiviert werden. Für Straßenbauvorhaben, die noch nicht begonnen wurden, fordern die Verbände ein Moratorium und eine Überprüfung. »Bislang wird gar nicht überlegt, welche Verkehrswege wirklich sinnvoll sind«, sagt Kerstin Haarmann. Der maßgebliche Bundesverkehrswegeplan sei lediglich ein Sammelsurium, ohne klare Ausrichtung etwa auf die Klimaziele.
Bleibt die Frage der Finanzierung. Hier plädieren die Verbände für eine »ambitionierte Fortschreibung des CO2-Preises«, um »Kostenwahrheit« im Verkehr einzuführen. Auch hier soll es einen sozialen Ausgleich geben, etwa mit einer Mobilitätspauschale für Menschen mit geringem Einkommen. Vor allem aber sollen umweltschädliche Subventionen abgebaut werden. »Bislang ist der Sektor verzerrt durch immense Fördersummen, die sowohl die Antriebswende als auch die Verkehrswende verzögern und erschweren«, »Das ist unabdingbar«, sagt Roland Hipp von Greenpeace. Rund 30 Milliarden Euro seien dies pro Jahr, darunter acht Milliarden für das Dieselprivileg, drei bis fünf Milliarden für das Dienstwagenprivileg, zwölf Milliarden für den Flugverkehr, weil Kerosin nicht besteuert wird und bei internationalen Flügen die Mehrwertsteuer wegfällt. »Diese Subventionen sind nicht nur schlecht fürs Klima«, sagt Hipp, »sie sind auch sozial ungerecht und bevorteilen die Gutverdiener.« Ein sozialverträglicher Subventionsabbau würde »immense Spielräume« eröffnen, so der Greenpeace-Geschäftsführer. »Das würde die finanziellen Mittel freisetzen, um die klimafreundlichen Verkehrsmittel attraktiver zu machen.«
Dass die nächste Bundesregierung, wie auch immer sie zugesetzt ist, beim Thema Mobilität grundlegende Änderungen anpackt, hält Kerstin Haarmann für nicht unwahrscheinlich: »Auch in konservativen Kreisen ist mittlerweile angekommen, dass etwas passieren muss.«
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