Ein Neuanfang in Sachsen

Markus Pieper beerbt den bereits im Juli 2020 freigestellten Siegfried Reiprich als Leiter der Gedenkstättenstiftung

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein »verlorenes Jahrzehnt« - so haben NS-Opferverbände einst die Amtszeit Siegfried Reiprichs an der Spitze der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten (StSG) bezeichnet. Sie endete im Juli 2020 nach einer skandalös geschichtsvergessenen Äußerung. Jetzt steht der Nachfolger fest: Der Historiker Markus Pieper wird neuer Geschäftsführer. Der 49- Jährige hat bei der Stiftung Ettersberg in Weimar sowie beim Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen gearbeitet und ist derzeit bei der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur tätig. Dort koordiniert er noch das Gedenken an den 60. Jahrestag des Mauerbaus. Ab September arbeitet er dann in Sachsen.

Pieper tritt ein schwieriges Erbe an, auch wenn er auf Nachfrage nicht von einem »belasteten Amt« sprechen will. Als Reiprich im Jahr 2009 von der damaligen Koalition aus CDU und SPD ausgewählt wurde, wurde in Sachsen erbittert über die Erinnerungspolitik gestritten. NS-Opferverbände hatten ihre Mitarbeit in der Stiftung beendet, weil sie dieser eine vom Gesetz gedeckte Gleichsetzung von NS-Diktatur und DDR-Zeit vorwarfen. Erst ein neues Gesetz sorgte 2012 für ein Ende des Streits. Pieper lobt dessen Klarstellung, dass die Stiftung an zwei Diktaturen erinnere, die allerdings »sehr unterschiedlich« gewesen seien und bei denen sich »unlautere Gleichsetzungen verbieten«.

Reiprich war als Mittler in der Kontroverse denkbar ungeeignet. Er ist Schriftsteller, kein Historiker. Die Berufung erfolgte aus biografischen Gründen: Er war wegen seiner kritischen Haltung in der DDR exmatrikuliert und 1981 ausgebürgert worden. Der von ihm geführten Stiftung wurde eine Unwucht vorgeworfen; NS-Gedenkstätten sahen sich bei der Verteilung von Mitteln benachteiligt. Zudem warfen ihm Ehrenamtliche und Mitarbeiter schlechte Kommunikation und Führungskultur vor; Konflikte landeten oft beim Arbeitsgericht. Im nationalen Diskurs zur Gedenkpolitik spielte die sächsische Stiftung keine Rolle mehr. In einer Evaluation 2019 hagelte es Kritik von Fachleuten.

Im vergangenen Juli zog der Stiftungsrat dann die Reißleine, nachdem Reiprich auf Twitter die Randale Jugendlicher in Stuttgart mit der Pogromnacht der Nazis 1938 verglichen hatte, und stellte ihn mit sofortiger Wirkung von seinem Amt frei. Vorübergehend übernahm Sven Riesel Reiprichs Aufgaben. Die Landesarbeitsgemeinschaft »Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus« lobt seine »unvoreingenommene Kommunikation auf Augenhöhe«, deren Fortsetzung man sich von Pieper wünsche. Dieser sieht es als eine wichtige Aufgabe an, »verlorengegangenes Vertrauen« wieder herzustellen. Zudem scheint er entschlossen, die Stiftung aus der von Reiprich vorgegebenen Selbstisolation zu führen. Er strebe stärkere Vernetzung und Erfahrungsaustausch mit anderen Experten und Institutionen im deutschen und europäischen Maßstab an: »Das erweitert den Horizont«, sagt Pieper.

Die Erwartungen an den neuen Stiftungschef sind groß. Die Grünen-Politikerin Claudia Maicher sieht die Chance für einen »Neuanfang« der Stiftung und einen »Aufbruch in der gesamten erinnerungskulturellen Landschaft«. Die Landesarbeitsgemeinschaft hofft auf ein »neues geschichtspolitisches Kapitel« in Sachsen. Daniela Schmohl, eine der Sprecherinnen, wünscht sich, dass Pieper als Moderator wirkt, und drängt auf inhaltliche und strukturelle Neuaufstellung der Stiftung. Franz Sodann, Kulturpolitiker der Linken im Landtag, sieht ein »riesiges Stück Arbeit« vor Pieper, wenn es darum gehe, die »Gräben« in der Stiftung zu schließen. Ob es ihm gelinge, das »Ungleichgewicht« in der Erinnerungspolitik zu beseitigen, bleibe freilich abzuwarten.

Sodann kritisiert auch, dass der Auswahlprozess gegenüber dem Landtag »intransparent« gewesen sei. Dieser erfolgte in einer Findungskommission, die aus 19 Bewerbungen zwei auswählte, die dann im Stiftungsrat zur Wahl standen. Laut dessen Chefin, der CDU-Kulturministerin Barbara Klepsch, gab es für Pieper in dem Gremium »eine große Mehrheit und keine Gegenstimmen«.

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