Auf unsicherem Grund

Hoher Grundwasserverbrauch lässt weltweit Millionenstädte absinken. Besonders gefährdet sind dabei Küstenmetropolen

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 4 Min.

Risse in Gebäuden, Schäden an Straßen und Bahnlinien oder gar tiefe Krater im Boden können Hinweise sein auf einen Prozess, der weltweit immer weiter um sich greift: die Landabsenkung. Besonders ausgeprägt ist das Phänomen in Asien. Spitzenreiter sind dabei einige Städte im Iran mit bis zu 25 Zentimetern im Jahr. Ebenfalls schlimm betroffen sind verschiedene chinesische Großstädte und die indonesische Hauptstadt Jakarta, die sich jährlich durchschnittlich um rund 17 Zentimeter senkt.

Tilo Schöne vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ), der dort zu der Thematik forscht, berichtet, Teile der Stadt lägen bereits vier Meter unter dem Meeresspiegel. Deiche werden immer höher gezogen, Straßen angehoben, sodass die Häuser buchstäblich im Boden versinken oder wer es sich leisten kann, eine Etage aufstockt. Die indonesische Regierung plant gar, ihren Sitz ab 2024 auf die Nachbarinsel Borneo zu verlegen.

Exzessive Grundwassernutzung

Die Problematik der Landabsenkung ist nicht neu; jüngst beleuchten nun aber mehrere Studien das Ausmaß der Katastrophe: Ein umfangreicher Literaturreview von Gerardo Herrera García vom Spanischen Institut für Geologie und Bergbau (IGME) und Kolleg*innen, der in der Fachzeitschrift »Science« erschien, konstatiert für 200 Orte in 34 Ländern als Hauptgrund dafür eine exzessive Ausbeutung der Grundwasserreserven. Getan werde dagegen noch wenig.

Auch Mehdi Bagheri-Gavkosh und Kolleg*innen haben in einem im März 2021 in der Science Total Environment publizierten Fachartikel 290 Fallstudien insbesondere zu großen Metropolen wie Bangkok, Beijing oder Mexiko-Stadt ausgewertet. Auch sie unterstreichen die Rolle einer unkontrollierten Grundwasserentnahme: Bei rund 60 Prozent der Fälle sei dies der bestimmende Faktor, bei über drei Viertel das Problem menschgemacht. Knapp die Hälfte der untersuchten Landsenkungen befinden sich in Küstenebenen und Flussdeltas, wo der fehlende Eintrag von Sedimenten durch Staudämme im Mittel- und Oberlauf die Lage verschärfen. Auch Jakarta, wie andere Städte an der Nordküste Javas, wurden, laut Schöne, an Flussmündungen errichtet. Damit stehen sie auf Schwemmland und somit auf sehr weichem Material, das aufgrund der Last der Gebäude nachgibt und sich verdichtet.

Eine kürzlich im Fachblatt »Nature Climate Change« veröffentliche Studie unter Leitung von Wissenschaftler*innen der britischen Universität von East Anglia untersucht zudem erstmals, wie die Landabsenkung die Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs verstärkt. Ihren Berechnungen nach erlebte die Küstenbevölkerung in den letzten 20 Jahren mit durchschnittlich 7,8 bis 9,9 Millimetern de facto einen drei- bis viermal so hohen Meeresanstieg als bislang angenommen. Insgesamt elf tief gelegene Küstenstädte mit Landsenkungsproblematik sind laut Bagheri-Gavkosh und Kolleg*innen bis Ende des 21. Jahrhunderts akut von einer Überflutung bedroht, unter ihnen Jakarta, Houston, New Orleans und Lagos.

Auch in intensiv landwirtschaftlich genutzten Regionen sinken oftmals Grundwasserspiegel und Untergrund, so im kalifornischen Längstal, dem »Fruchtgarten Amerikas«. Auf rund 50 000 Quadratkilometern werden 250 verschiedene landwirtschaftliche Produkte für die ganze USA und den Export anbaut, unter ihnen Datteln, Mandeln, Obst, Gemüse und Wein. Regen fällt dort nur in den Wintermonaten. Die Region gehört zu den größten Grundwasserkonsumenten des Landes. Infolgedessen hat sich der Talboden im 20. Jahrhundert um neun Meter abgesenkt.

»Während der nächsten Jahrzehnte wird das Wachstum der Erdbevölkerung und der Wirtschaft die Nachfrage nach Grundwasser weiter in die Höhe treiben, begleitet von der Ausschöpfung der Grundwasserreserven. Angetrieben durch Dürren werden sich Landabsenkung und die daraus resultierenden Schäden möglicherweise (noch) verstärken«, warnen Herrera und Kolleg*innen. Im Worst Case-Szenario RCP 8.5 wären bis Ende des Jahrhunderts rund acht Prozent der globalen Landoberfläche durch das Phänomen gefährdet. »Am meisten wird das die Länder treffen, in denen wir besonders starke Klimaveränderungen und einen Bevölkerungszuwachs erwarten«, sagt Koautor Pablo Ezquerro.

Suche nach Lösungen

Um die Landabsenkung zu stoppen, müsse dringend der Grundwasserkonsum reduziert werden. Als Positivbeispiel führen Herrera García und Kolleg*innen dabei die japanische Hauptstadt an. Während sie im 20. Jahrhundert ihre Grundwasserreserven massiv übernutzte und in Folge um insgesamt vier Meter absackte, bezieht die 14 Millionen-Stadt ihr Trink- und Brauchwasser heute in erster Linie aus geklärtem Wasser nahegelegener Flüsse. Auch Bagheri-Gavkosh und Team propagieren, Oberflächenwasser einzuführen, Abwasser aufzuarbeiten oder Meerwasser zu entsalzen, um den Druck auf das Grundwasser zu senken.

China versucht seinerseits, dem Problem mit gewaltigen Flussumlenkungen von Süd nach Nord zu begegnen, und an einigen Orten der Welt wird diskutiert, die ausgeschöpften Grundwasserreserven künstlich wieder aufzufüllen. Schöne gibt jedoch zu bedenken, der Prozess der Landabsenkung lasse sich nur stoppen, nicht rückgängig machen: »Ist der Porendruck einmal weg, kriegen sie ihn nicht wieder rein«, erklärt er. Das bestätigt auch sein Kollege am GFZ, Mahdi Modagh: »Die Übernutzung von Grundwasser und die daraus folgende Landabsenkung verändert die Form der darunter liegenden Sedimente und reduziert damit die Speicherkapazität der Grundwasserleiter«, erklärt er. »Ein Ökosystem lässt sich schnell zerstören, aber es braucht viele Jahre, es wiederherzustellen.«

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