Versprechen auf die Zukunft

Ein Jahr sollen Politik und Zivilgesellschaft über die EU diskutieren

Es sollte wohl ein Vorgeschmack auf das sein, was die interessierten Europäer*innen in den kommenden Monaten erwartet: 27 Studierende des europäischen Austauschprogramms Erasmus – entsprechend der Mitgliederzahl der EU – hatten sich am Sonntag in Straßburg im Europaparlament eingefunden, um der Eröffnung der ein ganzes Jahr dauernden Konferenz zur Zukunft Europas beizuwohnen.

Gerade einmal eineinhalb Stunden dauerte dagegen der Festakt, bei dem sich der französische Staatschef Emmanuel Macron, der Präsident des Europäischen Parlaments David Sassoli, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der portugiesische Premier António Costa als Vertreter des EU-Rats für den Start feierten – und 300 Bürger*innen per Livestream zugeschaltet waren.

Wie bei einer solchen Veranstaltung zu erwarten, blieben die Grußworte eher oberflächig. Die Demokratie müsse aus der Krise lernen (Macron), gemeinsame europäische Werte und nationale Identität müssten unter einen Hut (Costa), unseren Kindern müssen wir eine bessere Welt hinterlassen (von der Leyen), und: mit der Zukunftskonferenz soll Neuland betreten werden (Sassoli).

Tatsächlich soll es mit der Zukunftskonferenz, kurz COFE (Conference on the Future of Europe), erstmals eine Verschränkung von repräsentativer und partizipativer Demokratie in einem gemeinsamen Format geben. In Bürgerforen und Plenarversammlungen (dem »institutionellen« Teil von COFE) sollen alle für eine künftige EU relevanten Aspekte angesprochen werden.

Praktisch bis zur letzten Minute hatte jedoch der Rat, das Gremium der Regierungen, gemauert. Der Streitpunkt, wer die Ergebnisse von COFE aufbereitet und konkrete Vorschläge vorlegt, war erst am Sonnabend gelöst worden. Dass dies nun gemeinschaftlich durch alle beteiligten Strukturen geschehen soll, ist ein Erfolg des Europaparlaments. »Wir haben stets für diese Lösung gearbeitet«, sagt Helmut Scholz, der nicht nur für die Linke im EU-Parlament sitzt, sondern ebenso im Executive Board von COFE. Der Erfolg der Konferenz hänge vom Engagement aller ab, »sonst bleibt es doch wiederum nur ein Status quo des Bestehenden«.

Erst im März hatten sich Rat, EU-Kommission und Europaparlament auf einen Themenmix für die Konferenz einigen können – von der Bekämpfung des Klimawandels über soziale Gerechtigkeit bis zu Migration oder Demokratisierung der EU reicht die Palette. Herrschte dabei noch weitgehend Einigkeit, ging es insbesondere bei der Frage, ob COFE auch zur Veränderung der Europäischen Verträge, der Basis der EU, führen könnte, hart zur Sache.

Gerade die Regierungen wehrten sich vehement gegen diesen Ansatz, sahen sie doch ihren Einfluss auf die gemeinsame Politik gefährdet. Schließlich ermöglicht der seit über zehn Jahren gültige Lissabon-Vertrag Alleingänge der Staaten, was sich angesichts solcher Herausforderungen wie Klimawandel oder Migration bitter rächt, und bringt die EU auf stramm neoliberalen Kurs.

Dass es nun in der Entschließung kryptisch heißt, man wolle »den Bereichen Rechnung tragen, die in den Zuständigkeitsbereich der EU fallen«, schließt zwar Vertragsänderungen nicht grundsätzlich aus, klingt aber eher nach Ablehnung solcher Konsequenzen. Immerhin: Das, was bei COFE vereinbart wird, müsse auch eingehalten werden, meinte von der Leyen bei der Eröffnungszeremonie in Straßburg.

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