Liebe ist halal - egal, wen man liebt

Neue Akzeptanzkampagne für queere Muslim*innen gestartet

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich komme aus einer muslimischen Familie, die sehr konservativ ist und mich nie richtig akzeptiert hat«, erzählt das 23-jährige Model der neuen Akzeptanzkampagne für queere Muslim*innen, das sich Kweengypsi nennt. »Meine Mama hat zu mir gesagt, wenn du schwul wirst, geschweige denn dich schminkst oder anders bist, werde ich mich umbringen.« Immer sei gesagt worden: »Das was du machst ist haram«, also nach islamischem Glauben verboten. Unter dem Motto »Liebe ist halal«, also nach islamischem Glauben erlaubt, wirbt Kweengypsi nun mit weiteren queeren Muslim*innen für LGBTQI-Akzeptanz in der muslimischen Community.

»Ich bin mal er, mal sie, aber immer Muslim*in. Das entscheide ich«, steht unter dem Bild von Kweengypsi auf dem Plakat, das am Dienstag an der Bushaltestelle unweit des Reichtages eingeweiht wurde. Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne) und der Spitzenkandidat der Berliner CDU, Kai Wegner, sind zum Start der neuen Kampagne gekommen und freuen sich über die 750 Plakate, die seit Dienstag in der ganzen Stadt zu sehen sind. Erste Reaktionen gab es bereits: »Auf dem Weg hierher hat mich ein Typ angesprochen und gesagt: Ich finde es großartig was du machst. Ihr seid nur ein paar Leute in der Kampagne, aber hinter euch stehen viele«, erzählt der 23 jährige Tugay, eines der fünf Gesichter, die »stellvertretend für Millionen Menschen stehen«, wie er stolz sagt.

Keine selbstverständliche Reaktion, die queere Muslim*innen erleben: »Ich arbeite auch als Drag Queen, was natürlich ein riesen Albtraum für meine Familie war«, erzählt Kweengypsi. »Ich habe einen hohen Preis dafür bezahlt: Tausend Morddrohungen, Tausend Beleidigungen, im Internet und im echten Leben.« Tugay hat ähnliche Erfahrungen gemacht: »Ich bin schwul, ich bin Muslim und ich habe Jahre gebraucht um zu kapieren, dass Liebe halal ist«, berichtet. er. »Für mich war die Liebe, die ich zu Männern hatte, etwas Krankes, etwas Ekliges, weil die muslimische Community dieses Bild oft leider noch vertritt.« Allein die Möglichkeit, die Kampagne im Internet zu finden, zu sehen, dass man nicht allein ist, ist für ihn schon ein Fortschritt: »Wenn ich früher ›Islam und Homosexualität‹ gegoogelt habe, dann habe ich Hassprediger gesehen und Möglichkeiten wie man sich davon heilen kann. Ich habe es jahrelang versucht, bis ich irgendwann kapiert habe: Islam, Homosexualität und Queerness, das passt zusammen.« Für Tugay und seine Mitstreiter*innen ist die Kampagne ein »Geschenk«, damit queere Muslim*innen irgendwann nicht mehr mit Angst vor ihrer Familie aufwachsen, nicht mehr fliehen müssen, nicht mehr für ihre sexuelle Identität ermordet werden.

Initiiert wurde die Kampagne von der Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, die vor vier Jahren von der liberalen Imamin Seyran Ateş gegründet wurde. »Die Moschee ist offen für die Gleichberechtigung der Geschlechter und die LGBTQI Community«, sagt Ateş zu »nd«. »Wir sind der Überzeugung, dass Menschen, die muslimisch sind und schwul, lesbisch, trans, inter, queer, ihre sexuelle Identität außerhalb der heterosexuellen Norm haben, ein Recht haben auf einen spirituellen Ort und ein Recht zu Glauben.« Sehr viele queere Muslim*innen würden »unglaublich diskriminiert innerhalb ihrer Community«. Dieses Tabu will die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee mit seiner Anlaufstelle »Islam und diversity« brechen, um Akzeptanz zu schaffen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. »Wir haben sehr viele Anfeindungen, werden als pervers, als nicht islamisch bezeichnet«, berichtet Ateş.

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