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Was heißt hier »radikal«?
JEJA NERVT: Über den Mediencoup einiger »Radikalfeministinnen«
»Radikalfeministinnen« haben es in Deutschland mal wieder geschafft, sich mit einem Coup in die Debatte einzubringen. Das altehrwürdige Lesbenfrühlingstreffen, das traditionell jedes Jahr in einer anderen Stadt ausgerichtet wird, ging in diesem Jahr an eine Organisationsgruppe aus Bremen. Die in ihre Hände gefallene Macht nutzten die Frauen, um das Event zu einer (Online-)Wallfahrt des obsessiven Transhasses zu machen.
Während sich namhafte Vereinigungen der queeren Community vom diesjährigen LFT distanziert haben, können die »Radikalfeministinnen« ihre Freude über die »Medienkampagne« gegen sich kaum verbergen. Diese wiederkehrende Opferinszenierung ist nur einer der vielen Marker, an denen der Bewegung auch immer wieder Nähe zum Rechtspopulismus attestiert worden ist. Tatsächlich gleichen sich Methoden, etwa das sogenannte »Dog Whistling« (die Nutzung einer Sprache, die je nach Publikum unterschiedlich verstanden wird, Anm. d. Red.).
Dieser Text stammt aus unser Wochenendausgabe. nd.Die Woche nimmt Geschehnisse in Politik und Gesellschaft hintergründig unter die Lupe. Politische und wirtschaftliche Analysen, Interviews, Reportagen und Features, immer ab Samstag am Kiosk oder gleich mit einem Wochenendabo linken Journalismus unterstützen.
So haben »Radikalfeministinnen« die Kunst gemeistert, Dinge zu sagen, durch die stets implizit die Existenz transgeschlechtlicher Menschen geleugnet und diese zur Ausradierung freigegeben werden. Bei Widerstand gegen diese transhassenden Botschaften können sie dann jedes Mal aufs Neue behaupten, bewusst falsch verstanden worden zu sein und in ihrer Meinungs- und Redefreiheit eingeschränkt zu werden. Durch diese Schleife der inszenierten Kontroversen schaffen sie es, ihr Thema in den Medien zu halten. Wer sich an politische Strategien der AfD (oder Boris Palmer) erinnert fühlt, tut diesen »Feministinnen« sicher nicht unrecht: Akteurinnen des »Radikalfeminismus« haben im englischen Sprachraum immer wieder mit christlichen Abtreibungsgegner*innen oder der extremen Rechten paktiert - das geht bis zur Übernahme verschwörungsantisemitischer Ideen von Neonazis, die ja ihrerseits ihre Theorien darüber in den Ring werfen, was es mit diesem »Transgender« auf sich hat (jüdische Marxisten, jüdische Ärzte, Weltherrschaft, you name it).
Ein Beispiel für Dog Whistling ist auch das Verhalten von J. K. Rowling, die etwa für ihre Romane mit vergewaltigenden und mordenden »Männern in Frauenkleidern« das Pseudonym Robert Galbraith wählte. Der echte Galbraith wiederum war ein Pionier der Konversionstherapie mit Elektroschocks, um Schwule zu »heilen«. Rowling musste diese Namensgleichheit nur als Zufall ausgeben, um gleichzeitig beides zu können: Transhasser*innen die Botschaft »Ich bin eine von euch« zu geben und sich als Verfolgte eines hysterischen Mobs der »Identitätspolitik« darzustellen.
Aisling McCrea hat in einem Essay für die progressive Nachrichtenseite »The Outline« das magische Denken rechter Männer in den USA beschrieben, die sich selbst als besonders »logisch« wähnen. Das Schlagwort »Logik« dient bei ihnen als Überlegenheitsgestus gegenüber einer politischen Kultur, die auf dem angeblichen Gegenteil der »Logik« beruhe, nämlich den Emotionen. Die eigenen Argumente sind dann stets durch die mantraartige Wiederholung wahr, dass diese »logic« seien - ungeachtet dessen, dass in der Philosophie ein solches einheitliches Konzept von Logik überhaupt nicht existiert.
Das »Radikal« in »Radikalfeministin« funktioniert ähnlich: da man selber per definitionem immer ein Stück weit »radikaler« als das weich gewaschene Gegenüber ist, muss man gar kein politisches Konzept für ein Ausreißen der Wurzeln des Patriarchats vorlegen. Ein Zerrbild von Biologie genügt für den Überlegenheitsdünkel.
Ein Beispiel? Gunda Schumann soll auf dem diesjährigen LFT unter dem vielsagenden Titel »Genderidentität anstatt Geschlecht - Ein trojanisches Pferd [sic!] für die Frauen?« reden. Organisiert ist sie in dem 2018 gegründeten »radikalfeministischen« »Lesbischen Aktionszentrum West reloaded xx«. Auf der Homepage der Gruppe heißt es: »Willkommen sind generell alle Frauen (XX), die die Werte des Grundgesetzes teilen - lesbisch, bi oder heterosexuell.« Das »alle Frauen« in Kombination mit »XX« steht dabei für: »Transfrauen sind keine Frauen« - das Grundgesetz dafür, dass man es hier mit ganz vielem zu tun hat, aber sicher nicht mit »Radikalen«.
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