- Politik
- Hamas
Viel internationale Diplomatie, keine Erfolge
Arabische Staaten verschärfen ihre Kritik an Israel und fordern ein Ende der Kämpfe, schweigen sich aber aus über die Rolle der Hamas
Während weiter Raketen aus Gaza auf Israel abgefeuert werden, versucht die israelische Armee gezielt, die Führer der radikalen palästinensischen Gruppen im Gazastreifen zu töten. So sei am Montag ein ranghoher Militärkommandeur der Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad im Gazastreifen getötet worden. Der Angriff galt den Angaben zufolge Hasem Abu Harbid, Leiter des nördlichen Kommandos der militanten Organisation. Er sei für Anschläge auf israelische Zivilisten und Soldaten sowie Raketenangriffe verantwortlich. Nach Armeeangaben vom Montag wurden bei nächtlichen Bombardements die Häuser von neun »ranghohen« Hamas-Kommandeuren getroffen.
Verstärkt hat das israelische Militär auch seine Angriffe auf Tunnelanlagen, die angeblich von der Hamas genutzt würden. Bislang seien rund 100 Kilometer Tunnel zerstört worden, sagte Armeesprecher Jonathan Conricus am Montag.
Anzeichen für eine baldige Waffenruhe sind nicht zu erkennen. Weder die radikalen Palästinensergruppen Hamas und Islamischer Dschihad noch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sind zu diesem Zeitpunkt bereit, die Angriffe einzustellen und miteinander zu verhandeln.
Rund 38 000 Palästinenser im Gazastreifen haben wegen der Luftangriffe ihre Häuser verlassen. Laut UN suchten sie Schutz in 48 Schulen des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) im Gazastreifen. URNWA-Direktor Matthias Schmale berichtete am Montag in einem Interview mit Al-Dschasira, dass die Bomben nahe UNRWA-Einrichtungen einschlügen. Mehr als 50 Kinder seien bislang getötet worden. »Die Menschen sind verängstigt und in Panik«, sagte Schmale.
Diplomatisches Karussell
Mit Spannung war am Sonntag die dritte Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats binnen einer Woche erwartet worden. Die Vereinigten Staaten, Israels wichtigster Verbündeter, hatten in den Tagen zuvor eine gemeinsame Stellungnahme zum Nahostkrieg verhindert. Diesmal ließen viele Mitglieder des 15-köpfigen UN-Gremiums ihre Außenminister sprechen und erhöhten den Druck auf die USA, einer gemeinsamen Stellungnahme zuzustimmen - abermals vergeblich. »Leider konnte der Sicherheitsrat allein aufgrund der Behinderung eines Landes nicht mit einer Stimme sprechen«, sagte Chinas Außenminister Wang Yi. Die USA setzen auf eine bilaterale Lösung und haben einen Sondergesandten in die Region geschickt.
Auch das sogenannte Nahost-Quartett aus USA, Russland, Vereinten Nationen und EU tauschte sich am Sonntag telefonisch aus. Laut russischem Außenministerium ging es bei dem Gespräch um mögliche Schritte zur Deeskalation der Lage. Ziel müsse zudem eine Waffenruhe und der Schutz der Bevölkerung sein. Russland betonte, es müssten so schnell wie möglich Perspektiven für eine politische Lösung des Konflikts geschaffen werden. Die EU-Außenminister wollen ihrerseits am Dienstag zu einer außerordentlichen Videokonferenz zusammenkommen.
Inzwischen wächst auch der Druck aus verschiedenen arabischen Ländern, die Kämpfe einzustellen. Dabei wird praktisch ausschließlich das Vorgehen Israels verurteilt. Am Sonntag war der Krieg Thema einer Dringlichkeitssitzung der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC). Saudi-Arabien hat Israel im Gaza-Konflikt »eklatante Verletzungen« der Rechte der Palästinenser vorgeworfen. Die internationale Gemeinschaft müsse rasch handeln, um die israelischen Militäreinsätze zu stoppen, sagte der saudische Außenminister Faisal bin Farhan Al-Saud. Er verurteilte auch die Zwangsräumungen palästinensischer Familien in Ost-Jerusalem, die einer der Auslöser der Gewalteskalation waren. Die Gespräche im eingefrorenen Friedensprozess müssten wiederbelebt werden, so der Außenminister. In Friedensplan von 2002 hatte die Arabische Liga die Anerkennung Israels angekündigt, wenn es sich aus allen 1967 eroberten Gebieten zurückziehe und den Flüchtlingen eine gerechte Lösung ermögliche.
Innerarabische Kritik
Die panarabische Front gegen Israel ist aber mittlerweile zerbröckelt. Auf der OIC-Krisensitzung hat die Palästinenserführung Kritik an jenen arabischen Staaten geübt, die ihre Beziehungen zu Israel normalisiert haben. Ohne Frieden und ohne ein Ende der israelischen Besatzung komme dies »der Unterstützung des Apartheid-Regimes und der Beteiligung an seinen Verbrechen gleich«, sagte der Außenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Rijad al-Maliki. Auf Drängen des vorherigen US-Präsidenten Donald Trump hatten die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, der Sudan und Marokko vergangenes Jahr mit Israel eine Normalisierung ihrer Beziehungen vereinbart. Für die Palästinenser war dies schlicht »Verrat« an der palästinensischen Sache.
Harte Worte wählte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am Montag in einem Telefonat mit Papst Franziskus. Er warf Israel ein »Massaker« an den Palästinensern im Gazastreifen vor und forderte Sanktionen gegen Israel. Dafür bat er den Papst um Unterstützung. Franziskus traf am Montag auch mit Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif zusammen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.