Ernüchterung auf den Seychellen

Der Inselstaat ist weltweit auf Platz zwei bei den Impfquoten - und bei den Corona-Neuinfektionen

  • Barbara Barkhausen
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf den Seychellen läuft die Impfkampagne gegen Covid-19 geradezu vorbildlich. Die Impfquote - bereits 62,9 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft - ist die zweithöchste weltweit, höher etwa als in Israel oder Großbritannien. Trotzdem steigen seit Ende April die Zahlen der Neuinfektionen wieder rasant an. Am Montag registrierte der Inselstaat im Indischen Ozean eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 1600, aktuell die zweithöchste weltweit.

Laut einem Bericht des US-Senders CNBC sind 63 Prozent der jetzt positiv auf das Coronavirus Getesteten entweder nicht geimpft gewesen oder hatten nur eine Dosis erhalten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass immerhin 37 Prozent bereits vollständig geimpft waren. Zum Einsatz kommen hier das Vakzin des chinesischen Unternehmens Sinopharm sowie Covishield von Astra-Zeneca, das in Indien produziert wird. Insgesamt haben die Seychellen mit ihren rund 97 000 Einwohnern etwas über 9700 Infektionen und 35 Todesfälle verzeichnet.

Wissenschaftler rätseln, wie es zu den aktuell hohen Inzidenzwerten bei gleichzeitig sehr hoher Impfquote kommen kann. »Dies wirft zwei Fragen auf: zum einen über die Qualität der Impfstoffe, zum anderen über die Wirkung der Virusvarianten, die im Land zirkulieren«, sagt Tony Blakely, ein Epidemiologe an der Universität von Melbourne, im Telefoninterview gegenüber »nd«. So sei auf den Seychellen auch die südafrikanische Variante B.1.351 nachgewiesen worden. Und bei dieser hat die Astra-Zeneca-Impfung eine Wirksamkeit von nur zehn Prozent.

Doch selbst wenn die Impfkampagne einen erneuten Ausbruch in dem idyllischen Pazifikstaat vor der Ostküste Afrikas mit seinen 115 Inseln nicht verhindern konnte, lässt sich immerhin erkennen, dass geimpfte Menschen »glimpflicher« davonkommen. Laut dem Gesundheitsministerium der Seychellen sind 80 Prozent der Patienten, die eine Krankenhausbehandlung benötigten, nicht geimpft gewesen oder waren von zusätzlichen schweren Krankheiten betroffen. Zudem seien fast alle schweren Fälle, die eine Intensivbehandlung erforderten, bei nicht geimpften Personen aufgetreten.

Die Ereignisse auf den Seychellen scheinen die wiederholten Warnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu bestätigen, dass Impfungen allein nicht ausreichen werden, um die Pandemie zu stoppen. Einschränkungen der sozialen Kontakte sowie Hygienemaßnahmen müssten auch weiterhin mit den Impfkampagnen kombiniert werden.

Auch die Seychellen haben auf den erneuten Coronaausbruch mit Beschränkungen reagiert. Vorübergehend mussten die Schulen schließen, und auch Geschäfte und Gastronomie dürfen nur eingeschränkt arbeiten. Nachts herrscht zudem eine Ausgangssperre.

Die neuen Erkenntnisse aus den Seychellen decken sich mit Nachrichten aus Chile und Uruguay. Auch die beiden südamerikanischen Länder hatten mit den Impfstoffen der chinesischen Firmen Sinovac und Sinopharm nicht die erwünschten Erfolge erzielt. Beide Länder meldeten in den vergangenen Wochen wieder erhöhte Infektionszahlen. Wie wirksam die Impfstoffe sind, darüber scheiden sich die Geister: Laut WHO schwanken die Wirksamkeitsdaten für das Sinovac-Mittel zwischen 50, 65 und 83,5 Prozent, während Sinopharms Impfstoff eine Wirksamkeit zwischen 79 und 86 Prozent haben soll. Wissenschaftler beklagen eine unzureichende Datenlage.

»Wir müssen trotzdem mit den Impfstoffen weitermachen, die wir derzeit haben«, sagt der australische Experte Blakely. Gleichzeitig müsse an »Boostern« gearbeitet werden, die die Impfstoffe weiter verbessern und an neue Virusvarianten anpassen. Es gebe beim Impfen keine Gewinner oder Verlierer, auch »wenn ich verstehen kann, dass die Seychellen jetzt ein wenig enttäuscht sind«. Aber das ist laut Blakely leider das »Spiel« der Pandemie. Es sei damit zu rechnen, dass neue Virusvarianten den Impfkampagnen immer wieder einen Rückschlag versetzten. »Wir müssen von diesen Erfahrungen lernen und wir müssen unseren jeweiligen Ansatz anpassen«, so der Epidemiologe.

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Sein Land habe auch zunächst fast nur mit Astra-Zeneca impfen wollen. Doch dann seien die Blutgerinnselfälle aufgetreten, und so habe man die Empfehlung angepasst - es würden nur noch Menschen ab 50 Jahren damit geimpft. »Dabei müssen wir auch an die Länder denken, die nicht die gleichen Möglichkeiten wie wir haben«, sagt Blakely. Australien beispielsweise habe die drei- bis vierfache Menge an benötigten Impfdosen bestellt. Die überschüssigen könnten an andere Länder im Pazifik weitergegeben werden, die sich keine vergleichbare Impfkampagne leisten können, wie Papua-Neuguinea oder die Salomonen. Denn wie es Neuseelands Regierungschefin Jacinda Ardern vor kurzem im Interview mit dem Sender TVNZ formulierte: »Bis wir nicht alle Teil weitverbreiteter Impfprogramme sind, ist niemand sicher.«

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