Schnelles Verbot vermeidet teuren Ausstieg

Laut einem Gutachten muss der Gesetzgeber zügig das Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe beschließen

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Anfang April ist die Eugal voll in Betrieb. Die Kapazität der quer durch Deutschland führenden Europäischen Gas-Anbindungsleitung liegt bei 55 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Sie soll vor allem das Gas weiterverteilen, das die Ostseepipeline Nord Stream 2 in Lubmin an der Ostseeküste einmal anlanden soll. Die Eugal, deren Bau 2,9 Milliarden Euro gekostet haben soll, kann dank unbefristet erteilter Betriebsgenehmigung bis weit nach 2045 mit Gas betrieben werden.

Das steht für die Stiftung Klimaneutralität in Widerspruch zum bald gesetzlichen Klimaziel, dass Deutschland ab 2045 netto keine CO2-Emissionen mehr erzeugen darf. Welcher Handlungsbedarf daraus für den Gesetzgeber resultiert, das ließ die Stiftung die Anwaltskanzlei Becker Büttner Held (BBH) prüfen. In deren Gutachten wird vorgeschlagen, den Einsatz fossiler Brennstoffe zur Stromerzeugung, in Industrie, Verkehr und Heizungen per Gesetz bis Ende 2044 zu befristen. Ab 2045 solle zudem in den Netzen kein Erdgas mehr transportiert werden dürfen. »Wird hier Zeit vergeudet, besteht die Gefahr, dass heute klimaschädliche Fehlinvestitionen getätigt und morgen Entschädigungsansprüche gegenüber dem Staatshaushalt geltend gemacht werden«, betonte Stiftungschef Rainer Baake bei der Vorstellung am Dienstag. Das bekräftigte auch BBH-Gutachter Olaf Däuper: Das Enddatum 2045 müsse gesetzlich verankert werden - und zwar unverzüglich. Denn viele Anlagen hätten Abschreibungszeiträume, die weit über 2045 hinaus reichten.

Als Beispiel, wo sich Klimaziel und der aktuelle Rechtsrahmen widersprechen, nannte Däuper die staatliche Regulierung der Gasnetze. Die Verzinsung des eingesetzten Kapitals sei dort gesetzlich vorgeschrieben, und das über einen Zeitraum von 65 Jahren. Auch gebe es für Haushalte eine Art Anschlusszwang für Gas. Das geltende Energierecht mache die Kündigung unmöglich.

Nach Däupers Ansicht hat das kürzliche Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts die rechtliche Lage für so ein fossiles Verbot ab 2045 verbessert. Dieses stelle danach keine Enteignung dar, sondern sei eine verhältnismäßige Maßnahme aufgrund des angestrebten Zwecks, des Klimaschutzes. Bis Anfang 2045 wird es nach Einschätzung des Anwalts nur in Einzelfällen Anlagen geben, die noch »nicht komplett abgeschrieben« sind - sofern der Gesetzgeber jetzt handele.

Baake wie auch Däuper gingen in dem Zusammenhang hart mit den von der Regierung vereinbarten Entschädigungszahlungen für Kohlekraftwerke ins Gericht. »Was die Bundesregierung gemacht hat, geht weit über das hinaus, was der Gesetzgeber verfassungsrechtlich tun muss«, sagte Baake. Für 2045 könne das mit einer frühzeitigen Regelung vermieden werden.

Bei dem Vorschlag handele es sich nur um ein Einsatzverbot für fossile Brennstoffe wegen ihrer treibhausrelevanten Emissionen, nicht um das Verbot einer Infrastruktur an sich. »Wir stellen auf den Brennstoff und nicht auf die Anlagen ab«, erläuterte Baake. »Will jemand seine Anlagen mit CO2-freien Energieträgern nutzen, soll das weiterhin möglich sein.«

Das soll auch gelten, wenn Unternehmen das Klimaproblem durch CO2-Abscheidung lösen sollten. Dann könne die Anlage weiterlaufen. Eine Gasleitung könne auch mit grünem Wasserstoff betrieben werden.

Das Problem zu lösen, indem zum Beispiel der Einsatz fossiler Brennstoffe nur für neue Anlagen verboten wird - wie es etwa mit einem Zulassungsverbot für neue Verbrenner-Pkw geschehen kann, ist nach Baakes Ansicht rechtlich nicht möglich. Ein Verbot für neue Anlagen könne nur EU-weit ausgesprochen werden. Für Pkw beispielsweise gelte eine europarechtliche Typgenehmigung.

Nicht untersucht wurde in dem Gutachten, welche Rolle internationale Vereinbarungen wie die Energiecharta bei der Frage von Entschädigungen spielen könnten, räumte Däuper auf Nachfrage ein. Dieser Investitionsschutz komme allerdings nur zum Tragen, wenn ausländische Unternehmen in Deutschland investiert haben, sagte er.

Das werden einige der Eugal-Eigner wie die russische Gazprom oder die niederländische Gasunie sicher mit Interesse zur Kenntnis nehmen - sollte es wirklich zu einem Verbot für fossile Brennstoffe kommen.

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