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Nie wieder
Zum 100. Geburtstag des Schriftstellers Wolfgang Borchert
2013 war es, als der Regisseur Volker Lösch, der bevorzugt mit Laien arbeitet, an der Berliner Schaubühne Wolfgang Borcherts Antikriegsdrama »Draußen vor der Tür« zur Premiere brachte. Borcherts tragischer Held Beckmann - das war der inszenatorische Knackpunkt in Löschs Arbeit - wurde von einem Mann verkörpert, der 24 Jahre als Berufsoffizier der Bundeswehr tätig war. Als der Darsteller in einem bewegenden Schlussmonolog diesen Umstand dem Publikum offenbarte, nicht ohne den politischen Umgang mit ehemaligen Soldaten in Deutschland zu beklagen, führte das während einer Vorstellung zu lautstarkem Protest: Ein älterer Herr fragte, ob der Mann noch nie etwas von Kriegsdienstverweigerung gehört habe. Eine junge Frau forderte lautstark den Spieler gleich zum Gehen auf. Der war nicht imstande, so souverän zu reagieren wie ein professioneller Schauspieler, und entgegnete eher trotzig als wirklich schlagfertig, damals sei er halt noch nicht so weit gewesen.
Diese kleine Szene - so viel anteilnehmenden Widerspruch wünscht man sich im Theater häufiger - veranschaulicht die zentrale Frage des Stücks nach der Rolle des Individuums in einer kriegerischen Welt. Jean-Paul Sartres Einsicht, dass es im Krieg keine unschuldigen Opfer gebe, erfährt mit Borcherts »Draußen vor der Tür« eine szenische Umsetzung. Das Stück um den körperlich und seelisch versehrten Kriegsheimkehrer Beckmann, 1947 in Borcherts Heimatstadt Hamburg uraufgeführt, traf einen wunden Punkt in Nachkriegsdeutschland. Schuld und Leid durchziehen die Dialoge. »Wir werden jeden Tag ermordet und jeden Tag begehen wir einen Mord. Wir gehen jeden Tag an einem Mord vorbei«, heißt es wortstark in der letzten Szene.
Das Drama bildet das Hauptwerk in dem überschaubaren Schaffen Borcherts, drei weitere frühe dramatische Versuche sind nahezu vergessen. Vor 100 Jahren geboren, musste der Zweite Weltkrieg zum prägenden Ereignis in seinem Leben werden. Der junge Borchert wollte Schauspieler werden. Zudem schrieb er Gedichte, die ihm den Vorwurf einbrachten, Homosexualität zu »verherrlichen«, was zu einem Verhör durch die Gestapo führte. Eine beginnende Bühnenlaufbahn fand 1941 mit dem Einzug in die Wehrmacht ihr Ende. Borchert kämpfte als deutscher Soldat an der Ostfront, wurde verwundet und anschließend inhaftiert. »Wehrkraftzersetzung« lautete der folgenschwere und mehrfach gegen ihn erhobene Vorwurf. Er überlebte Kriegsgeschehen und Gefangennahmen.
An seine Schauspielerkarriere konnte er nach Kriegsende aber nicht anknüpfen; Borchert verlegte sich nun voll und ganz aufs Schreiben. Seine Kurzgeschichten, als Schullektüre einem breiten Publikum bekannt, umkreisten das eine große Lebensthema: den Krieg. Borcherts gesamte Prosa - »Nachts schlafen die Ratten doch«, »Das Brot« und »Dann gibt es nur eins!« lauten die Titel der prominentesten Erzählungen - ist ein deutlich mahnendes »Nie wieder!«.
Das Kriegsende bedeutete für den Schriftsteller eine Zeit erstaunlicher Produktivität. Noch vor den erzählerischen Arbeiten ist es sein Drama »Draußen vor der Tür«, das seinen Ruhm begründet hat. In nur acht Tagen soll er den Stücktext verfasst haben. Der Erfolg kam über Nacht, als eine Hörspielfassung im Radio gesendet wurde. Die Uraufführung auf der Bühne, vielbeachtet, erlebte der Autor nicht mehr. Er starb mit 26.
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