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Magisches Denken
Lausitz-Festival: Eine Region leistet einmal mehr kulturelle Bewusstseinsarbeit
Jedes Jahr stellt Intendant Daniel Kühnel »sein« Lausitz-Festival unter ein anderes Motto, das er »Inspirationswort« nennt. Ein bisschen pseudo-originell wirkt das, eher bemüht als wirklich inspirierend. Mit »anderselbst« und »Hereinforderung« waren wir in den Vorjahren konfrontiert. In diesem Jahr lautet das Zauberwort: »unsbewusst«. Mit dem künstlerischen Programm, mit dem im August und September die brandenburgisch-sächsische Grenzregion bespielt wird, will man sich nun auf die Suche nach dem Unbewussten machen – und zwar aus kollektiver Perspektive. Ein neologistisch gekleideter Allgemeinplatz also, den jedes Festival so für sich beanspruchen würde.
Überhaupt ist viel von Hoffnung, von Emphase, von Energie die Rede, sogar von magischen »drei Wochen«, womit der Festivalzeitraum gemeint ist. Das trifft gewiss nicht jedermanns Geschmack und steht in einem gewissen Widerspruch zur Mentalität der Menschen in ebendieser Region, in der die Spektakel doch stattfinden sollen.
Der multidisziplinäre Spielplan orientiert sich – auch das kaum überzeugend – an diversen runden Jahrestagen. Arvo Pärts 90. Geburtstag, Kurt Weills 125. Geburtstag und 75. Todestag, Heiner Müllers 30. Todestag, Inge Müllers 100. Geburtstag sowie Thomas Manns 150. Geburtstag und 50. Todestag diktieren das Programm.
Sieht man von diesen – vielleicht zu oberflächlichen – Kritikpunkten ab, entdeckt man doch einiges Bemerkenswerte, das der künstlerischen Leitung trotz finanzieller Einbußen geglückt ist: Marcel Kohlers, unter anderem auch im »nd« gelobte, Inszenierung von »Othello« aus dem Vorjahr erfährt eine Wiederaufnahme. In der zum Museum avancierten Brikettfabrik Louise in Domsdorf wird Michael Sturminger, der vor Kurzem noch den »Jedermann« bei den Salzburger Festspielen inszenatorisch verantwortete, die Shakespeare-Sonette in Szene setzen. Im Klettwitzer Tagebau, der Heiner und Inge Müller Inspirationsstoff für ihre Arbeiten war, wird das Besucherbergwerk F60 mit einem »immersiven, ortsspezifischen Stationendrama« über die Liebes- und Arbeitsbeziehung der beiden Müllers bespielt – was noch dadurch zu übertreffen wäre, dass man eines der Dramen von deren Hand inszeniert.
Mit der Uraufführung der Familienoper »Krabat« des Komponisten Marius Felix Lange am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau greift man auch den vielleicht wichtigsten literarischen Stoff der Sorben musiktheatralisch auf. Schließlich kommt mit Ute Lemper ein Weltstar nach Bautzen, um Kurt Weill die Ehre zu geben. Die vielleicht nicht zu Unrecht kritisierte kuratorische Gigantomanie der Vorjahre wird also durch ein feingliedriges, aber ambitioniertes Angebot für das Publikum abgelöst. Eine gute Nachricht für die Lausitz.
Das Lausitz-Festival findet vom 24. August bis zum 14. September in Brandenburg und Sachsen statt.
www.lausitz-festival.eu
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