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Saudi-Arabien nähert sich der Türkei, dem Iran und Katar an
Man nannte es den »Deal des Jahrhunderts«: eine Zwei-Staaten-Lösung, Frieden zwischen Israel und der arabischen Welt und ein diplomatischer Erfolg für Donald Trump und Mohammed Bin Salman, Kronprinz und mächtigster Akteur im Königreich Saudi-Arabien. Doch nun ist Joe Biden Präsident der USA. Der »Deal des Jahrhunderts« ist vom Tisch. Zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten herrscht seit fast zwei Wochen ein bewaffneter Konflikt.
Saudi-Arabien verurteilte in einer gemeinsamen Stellungnahme mit den 56 anderen Staaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) die Angriffe Israels auf Gaza als »barbarisch« und nannte »systematische Verbrechen« gegen die Palästinenser als Grund für die Eskalation in der Region. Parallel beteuerte zwar Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al-Saud, dass »die Normalisierung des Status Israels der gesamten Region enorme Vorteile bringen würde«. Jedoch sei das nur möglich, wenn die Palästinenser einen Staat innerhalb der Grenzen von 1967 bekämen. Etwas, das im »Deal des Jahrhunderts« nicht mal zur Debatte stand.
Doch nicht nur beim Nahostkonflikt hat das saudische Königshaus augenscheinlich einen Strategiewechsel vollzogen: Auch zur Türkei, zu Iran und Katar, also Staaten, zu denen das Verhältnis in den vergangenen Jahren eher frostig bis offen feindselig war, sucht Saudi-Arabien wieder die Nähe. Im Januar hob man gemeinsam mit Ägypten, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) nach vier Jahren das Embargo gegen das Golfemirat Katar auf.
Am 9. April trafen sich hochrangige iranische und saudische Diplomaten im Irak, um über den Jemen-Konflikt, wo beide Länder verfeindete Parteien unterstützen, und eine Versöhnung ihrer Länder zu sprechen. Am 10. Mai besuchte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu Saudi-Arabien, wo seit 2020 ein Importverbot türkischer Waren herrscht - der Handel zwischen beiden Ländern ist vergangenes Jahr um 98 Prozent zurückgegangen.
Ein zentraler Grund für diese Annäherung dürfte der Machtwechsel in den USA sein. Während der Trump-Regierung haben die Golf-Monarchien Saudi-Arabien und die VAE auf diplomatischer und militärischer Ebene so offen aggressiv gehandelt wie nie zuvor. Man sah in der Außenpolitik Trumps eine Gelegenheit, mit Rückendeckung aus Washington die eigene Position zu stärken.
Doch während man bereit war, in Kooperation mit den USA eine Kampagne des »maximalen Drucks« auf Teheran auszuüben, ist man sich mittlerweile bewusst geworden, dass ein direkter Krieg zwischen den USA und Iran im eigenen Hinterhof wohl katastrophale Folgen für das eigene Land hätte - seien es immanente Folgen durch Kriegshandlungen oder wirtschaftliche. Hussein Ibish, Kolumnist und Wissenschaftler am Arab Gulf States Institute, einem Thinktank mit Sitz in Washington, formulierte es so: »Die Entscheidung Saudi-Arabiens, sich diplomatisch mit dem Iran zu befassen, ergab sich zum Teil aus dem authentischen Interesse, Konflikte zu vermeiden, und einer echten Besorgnis darüber, wie gefährlich die Spannungen bereits geworden waren.«
Pragmatische Wende
Auch in Bezug auf das Verhältnis zu Katar und der Türkei dürfte man in Riad zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt sein. Die Blockade und Isolation Katars führte letztendlich zu einer stärkeren Beziehung des Golfemirats mit der Türkei. Sie kooperieren nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch und unterstützen die Feinde Saudi-Arabiens und der VAE. Etwa in Libyen, wo man den Vormarsch des durch die VAE und Saudi-Arabien favorisierten Generals Haftar aufhalten konnte. Sowohl Katar als auch die Türkei gelten als wichtigste Unterstützer der islamistischen Muslimbruderschaft wie auch der islamistischen palästinensischen Widerstandsbewegung Hamas. Die Muslimbruderschaft ist in den VAE wie auch in Saudi-Arabien verboten; zur Hamas pflegt man in Riad nur unter der Hand Kontakte.
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Wohin diese diplomatischen Initiativen führen, ob Riad mit Iran, Katar und der Türkei wirklich seinen Frieden macht, bleibt offen. Die Situation ist komplex, und noch unterstützen die Parteien in Jemen, Libyen und Syrien unterschiedliche Akteure. Auch welchen Weg Joe Biden tatsächlich in Sachen Nahost einschlagen wird, bleibt abzuwarten. Doch zunächst hat es den Anschein, als könnten für Riad die Dinge wie früher einmal laufen. Mit dem Westen macht man lukrative Geschäfte. Doch, wie sich zeigt, kann ein Machtwechsel in den USA oder ein Aufflammen des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern schnell dazu führen, dass man sich in Nahost ungewohnt solidarisch zeigt.
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