Den Rasern ihr Spielzeug wegnehmen

Berlins Justizsenator sucht im Bundesrat nach Mehrheiten, um die Vermietung von hochmotorisierten Fahrzeugen an Fahranfänger zu verbieten

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Kampf gegen illegale Autorennen und Hochgeschwindigkeitsfahrten setzt Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) auf ein bundesweites Vermietungsverbot von PS-Monstern an Fahranfänger. Eine entsprechende Bundesratsinitiative soll noch im Juni in die Länderkammer eingebracht werden, sagte Behrendt am Dienstag.

Die Details müssten im Bundesrat noch ausverhandelt werden. Klar sei aber, dass »die Überlassung hochmotorisierter Fahrzeuge« ab mindestens 200 PS allen Fahranfängern für einen mehrjährigen Zeitraum untersagt werden soll. »Ein halbes Jahr bringt da ja nicht viel«, sagte Behrendt. Ob es nun am Ende drei oder fünf Jahre werden, müsse man sehen.

Der Fokus auf ein entsprechendes Vermietungsverbot an Fahranfänger kommt freilich nicht von ungefähr. Schließlich sind die Auswertungen der Berliner Raser-Statistiken in dieser Hinsicht eindeutig. Zum einen sind verbotene Autorennen demnach mit 97 Prozent aller Tatbeteiligten nicht nur eine ganz klar männliche Domäne, sondern vor allem auch eine junger und sehr junger Männer. Oder, wie Behrendt sich ausdrückte: von Leuten, die sich in der Phase befänden, »wo sie Sturm und Drang spüren«. Zum anderen seien, so der Grünen-Politiker, an dieser Art Straßenkampf überdurchschnittlich viele Mietwagen beteiligt.

Gestiegener Verfolgungsdruck

Was die Statistik auch zeigt: Die Nutzung von PS-starken Autos als Kampfvehikel hat auf den Straßen der Hauptstadt in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Parallel dazu ist seit Oktober 2017, als der sogenannte Raser-Paragraf ins Strafgesetzbuch aufgenommen wurde und illegale Autorennen von einer Ordnungswidrigkeit zur Straftat hochgestuft wurden, auch der Verfolgungsdruck und die Kontrolldichte gestiegen. »Die Polizei ist auf der Hut«, betonte bei der Vorstellung von Behrendts Bundesratsinitiative Andreas Winkelmann, der bei der Berliner Amtsanwaltschaft für Raser-Delikte zuständige Abteilungsleiter.

Zweieinhalb Straftaten pro Tag

Nach Angaben seiner Behörde nahm die Zahl der von der Justiz wegen illegaler Autorennen und Hochgeschwindigkeitstouren geführten Strafverfahren zwischen 2018 und 2020 von 345 auf 871 Fälle im Jahr zu. Das waren allein im vergangenen Jahr - statistisch gesehen - zweieinhalb Straftaten pro Tag. Ein Zuwachs, den Winkelmann auch auf die vor allem im Frühjahr 2020 coronabedingt häufig leer gefegten Straßen zurückführte: »Wir haben im letzten Jahr eine wahre Corona-Schwemme erlebt.« Teilweise habe der Platz bei den Verfolgungsbehörden nicht ausgereicht, um die beschlagnahmten Autos unterzustellen. Besserung sei zugleich auch 2021 kaum in Sicht: Bis Ende April kam Berlin schon auf 298 eingeleitete Verfahren.

Eine Rolle spielt nach Winkelmanns Worten bei dieser Entwicklung auch der Umstand, dass der Anwendungsbereich des Raser-Paragrafen erweitert worden ist. So fällt inzwischen auch die »Polizeiflucht« mit - nun ja - konsequenterweise erhöhter Geschwindigkeit darunter. Genaue Zahlen habe er zwar nicht vorliegen, so Winkelmann. Ein nicht unwesentlicher Teil dieser Fluchten stehe aber »in einem Zusammenhang mit gleichzeitigen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz«, auch und vor allem mit den »Kokstaxis« in der Stadt - einem ebenso strafbewehrten wie intensiv genutzten Lieferservice für Kokain.

Die Stadt als Rennstrecke

Deliktbereiche hin oder her: Justizsenator Behrendt machte klar, dass er nicht mehr bereit ist, »es weiter hinzunehmen, dass die Stadt zur Rennstrecke wird«. Er erinnerte hier insbesondere an den schweren Autounfall im Ortsteil Treptow Anfang Februar dieses Jahres. Damals war ein Mietwagen mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von der Straße Am Treptower Park abgekommen, mit voller Wucht gegen einen Baum und einen Baucontainer gekracht und anschließend in Flammen aufgegangen. Drei der vier jungen Fahrzeuginsassen starben bei beziehungsweise kurz nach dem Crash. Ebendieser Unfall habe bei ihm den Ausschlag gegeben, die Vermieterfrage in Angriff zu nehmen. Das Problem sei eben, dass es für Fahranfänger generell viel zu leicht sei, an hochmotorisierte Fahrzeuge zu kommen, und sei es über zum Teil nur fingierte Mietverträge.

Erfolg der Bundesratsinitiative wacklig

Er habe zwar »noch nicht sondiert«, welche Bundesländer sich seiner Bundesratsinitiative anschließen werden, so Behrendt. Aber er baue stark darauf, auch andere Länderregierungen von einem Vermietungsverbot überzeugen zu können. Konkret verwies er dabei auf das schwarz-gelb regierte Nordrhein-Westfalen, das ein nicht minder kleines Problem mit der sogenannten Raser-Szene habe.

Sollte die Berliner Bundesratsinitiative scheitern oder zu versanden drohen, müsse das Thema auf anderer Ebene weiterverhandelt werden. Wohl auch mit Blick auf die aktuell guten Aussichten für eine Regierungsbeteiligung der Grünen im Bund, warf Behrendt ein: »Es gibt ja im Herbst Koalitionsverhandlungen, habe ich gehört. Da könnte man das ja einspeisen.«

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