Belarus soll leiden

Nach der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs in Minsk erhöht die EU den Druck auf Minsk

Die Europäische Union zieht bei Belarus die Schrauben an. Ihr Außenbeauftragter Josep Borrell wünscht schnelle und deutliche Schritte nach dem Ryanair-Vorfall am vergangenen Sonntag und der Verhaftung des oppositionellen Bloggers Roman Protassewitsch und seiner Begleiterin Sofia Sapega auf dem Minsker Flughafen.

Die EU müsse nun zeigen, dass sie bereit sei, »die Sprache der Macht benutzen«, erklärte der Spanier in Lissabon, wo am Donnerstag die EU-Außenminister zusammentrafen. Eigentlicher Schwerpunkt des halbjährlich stattfindenden informellen Meetings sind die EU-Afrika-Beziehungen, ungelöste Konflikte in der östlichen Nachbarschaft sowie die Politik zur Großregion Indo-Pazifik.

Am Montag bereits hatten die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel eine Sperrung des europäischen Luftraums für Flugzeuge aus Belarus beschlossen. Maschinen aus dem osteuropäischen Land wurden zudem mit einem Start- und Landeverbot auf EU-Flughäfen belegt. Den Außenministern der Mitgliedsstaaten hatte der EU-Gipfel aufgetragen, weitere Strafmaßnahmen gegen die Regierung von Präsident Alexander Lukaschenko zu verhängen. Neben einer Ausweitung von Vermögenssperren und EU-Einreiseverboten gegen Verantwortliche in Minsk sollen die neuen Sanktionen die belarussische Wirtschaft empfindlich treffen.

Für die EU ist die nach einer angeblichen Bombendrohung erfolgte zwangsweise Umleitung von Flug 4978 von Athen nach Vilnius zum Flughafen in Minsk eine Vorlage, um den gegenüber Lukaschenko eingeschlagenen Kurs deutlich zu verschärfen. Nach den von Betrugsvorwürfen seitens der Opposition überschatteten und von Massenprotesten gefolgten Präsidentschaftswahlen in Belarus im vergangenen August stellte sich Brüssel hinter die unterlegene Kandidatin Swetlana Tichanowskaja, die nun aus dem Exil heraus die Führung des Landes beansprucht.

Unterstützung erhält ihr Lager insbesondere auch von Polen und Litauen, wo die Oppositionspolitikerin Exil gefunden hat. Warschau und Vilnius verfolgen besonders engagiert das Ziel, die strategische, auch sicherheitspolitische Partnerschaft zwischen Belarus und dem als zentrales Feindbild dienenden Russland durch eine Wende in Minsk aufzubrechen.

Die Regierung des seit 26 Jahren an der Macht befindlichen Präsidenten Lukaschenko hatte die Proteste mit Einschüchterung und harten Repressionen beantwortet. Im vergangenen September erklärte die EU, dass sie Lukaschenko nicht als legitimen Staatschef von Belarus betrachtet. Die internationale Isolation zwingt das Land noch enger in das ungleiche und nicht spannungsfreie Bündnis mit Putins Russland. Aus Sicht der EU ist die festgefahrene Situation nur noch ohne Lukaschenko auflösbar.

Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) möchte aufs Ganze gehen. Am Donnerstag drohte er Lukaschenko mit einer »großen und langen Sanktionsspirale«, die Wirtschaftsstruktur und Zahlungsverkehr in Belarus »ganz erheblich« treffen würde. Im Gespräch sind Strafen, welche die über die baltischen Staaten laufenden belarussischen Kali-Exporte und den Gastransit aus Russland nach Europa als Devisenbringer betreffen. »Klare Kante« von der EU forderte in Lissabon auch Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), um den »Akt der Luftpiraterie« zu ahnden.

Allerdings dürften die Maßnahmen nicht die Menschen in Belarus treffen, so Schallenberg. Wie das gehen soll, sagte der Minister nicht. Oppositionspolitikerin Tichanowskaja unterstützt die Schritte der EU und sorgt sich wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten für ihre Landsleute, »wenn sie dem Regime entkommen wollen«.

Dem in Belarus als Terrorist eingestuften Protassewitsch drohen bis zu 15 Jahre Haft. Der 26-Jährige engagierte sich in der rechten »Jungen Front«, die Teil der Jugendorganisation der Europäischen Volkspartei ist, berichtete an der Seite der Nationalisten vom Krieg in der Ostukraine und lernte beim US-Auslandssender »Radio Free Europe/Radio Liberty«.

Lesen Sie auch den Kommentar zu Lukaschenkos Eingriff in den Luftverkehr: Dissident vom Himmel geholt

Am Mittwoch verteidigte Lukaschenko im Parlament in Minsk das Vorgehen der Behörden bei der Zwangslandung der Ryanair-Maschine. Er drohte der EU wegen der Sanktionen Gegenschritte an. Seine Regierung hat internationale Luftfahrtexperten zu einer Untersuchung des Vorfalls eingeladen. Die von ihr verbreitete Version der Abläufe ist unglaubwürdig. Aber auch Gegenbeweise wie eine dem Londoner »Dossier Center« des russischen Exoligarchen Michail Chodorkowski zugespielte E-Mail an den Flughafen Minsk sind nicht über jeden Zweifel erhaben.

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