- Berlin
- »Bildungs- und Kulturzentrum Peter Edel«
Kulturquartier für die Nachbarschaft
Ein Jahr nach dem Start öffnet das »Bildungs- und Kulturzentrum Peter Edel« in Weißensee im Sommer auch seine restaurierten Veranstaltungssäle
Der Anblick des »Wandgemäldes« im Foyer des »Bildungs- und Kulturzentrums Peter Edel«, gleich neben dem Eingang zum Großen Saal, könnte manchem Besucher die Sprache verschlagen. Zu sehen ist ein kunterbuntes Wimmelbild, das Hunderte, um den Weißen See gruppierte, vornehmlich nackte Menschen sowie unzählige leere Stühle zeigt, die über bekannte Orte des früheren Stadtbezirks Weißensee verteilt sind. Ein Plädoyer für mehr Kultur im Bezirk.
»Das ist eine Rabitzwand, Teil der Wandverkleidung, die wir aus dem Großen Saal geborgen haben«, sagt Ulrike Urbich, als Geschäftsführerin des Vereins Kommunales Bildungswerk quasi Hausherrin. Diese drei Paneele - und viele weitere - habe der Kulturorganisator und Galerist Paul Woods mit seinem Künstlerkollektiv bemalt. Gemeinsam hatten sie das leerstehende Haus ab 2007 für einige Zeit zwischengenutzt. In jenem Jahr war das einstige Kreiskulturhaus »Peter Edel« geschlossen worden. Der beliebte Veranstaltungsort fehlt den Weißenseern - aber ein Ende der Durststrecke scheint in Sicht.
Im Jahr 2016 hatte das Bildungswerk als gemeinnütziger Bildungsträger das Gebäudeensemble an der Berliner Allee 125 übernommen und mit dem Bezirksamt Pankow einen Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen. Mit der Planung für den Umbau und die Sanierung der Gebäude, deren Geschichte teils bis in die 1880er Jahre zurückreicht, wurde das Berliner Architekturbüro Kny & Weber beauftragt. Erst im April 2020 war die Sanierung des älteren Gebäudeteils - allerdings mit Ausnahme des 1902 erbauten, denkmalgeschützten Großen Saals - abgeschlossen. Das Bildungswerk konnte seine erste Veranstaltung im »Peter Edel« im April 2020 durchführen. Coronabedingt wurde dieser Online-Fachtag »Vergaberecht« live aus dem neuen Bildungszentrum gesendet.
»Seit gut einem Jahr führen wir unsere Lehrveranstaltungen nun schon unter Einhaltung der Corona-Hygieneregelungen online durch«, sagt Ulrike Urbich. 1200 Seminarthemen enthält der aktuelle Angebotskatalog. 700 meist freischaffende Dozenten hat das Bildungswerk, das seit mehr als 30 Jahren besteht, unter Vertrag. »Unsere Kernzielgruppe ist der Öffentliche Dienst, doch wir richten uns mit unseren Kursen beispielsweise auch an Verbände, Initiativen, NGOs und Mittelständler. Auch Freiberufler erreichen wir, jüngst hatten wir Schornsteinfeger in der Fortbildung«, so die Geschäftsführerin. Jährlich erreiche das Bildungswerk mit seinen 50 Mitarbeitern 40 000 Kursteilnehmer bundesweit sowie 25 000 in Berlin.
Ab 7. Juni werde man auch wieder mehr Präsenzformate anbieten. Dennoch glaube sie, dass es bis 2022 wohl meist bei »hybriden«, also gemischten Veranstaltungen mit Online-Übertragung sowie einer begrenzten Zahl Anwesender, bleiben werde. Die Räumlichkeiten im Hauptgebäude sind dafür bestens gerüstet. Nur das Bistro im Kleinen Saal und die zugehörige Küche im Erdgeschoss brauchen noch etwas Zeit. Wie das neue Verwaltungsgebäude in zweiter Reihe sollen sie erst zum Jahreswechsel fertig sein.
Worauf aber Anwohner und viele alteingesessene Weißenseer wohl viel sehnsüchtiger gewartet haben: Im Sommer soll das Haus endlich auch als Kulturquartier für die Öffentlichkeit wiederbelebt werden. »Mitte August werden wir endlich so weit sein, dann sind wir mit der Restaurierung des Großen Saals fertig«, sagt Veranstaltungsmanager Adam Kostuch. Bis dahin soll auch der Außenbereich mit der Terrasse hinter dem Haus auf Vordermann gebracht und vor allem üppig begrünt sein.
Das Kreiskulturhaus, als das es in den 1960er Jahren entstand, ist ein mit vielen Emotionen behafteter Ort. Als Teil einer Brauerei Ende des 19. Jahrhunderts eingerichtet, war es stets ein volkstümlicher Ort geblieben. Restaurant mit Ballsaal, Lichtspieltheater, nach dem Krieg Restaurant und Verkaufseinrichtung für sowjetische Offiziere, bald »Café Moskau« und ab 1952 »HO-Gaststätte Volkshaus Weißensee«. Hier ging die Nachbarschaft tanzen, feierten Familien Hochzeiten und Jugendweihen, ging man zum Jazz. Später wurde das Haus, das seit 1984 den Namen des von den Nazis rassisch und politisch verfolgten Grafikers, Journalisten und Schriftstellers Peter Edel trägt, berühmt für seine hochkarätigen Rockkonzerte. Legendär seien auch die »Gundermann-Partys« gewesen, die nach 1990 im Kulturhaus stattfanden, heißt es auf der Website des »Peter Edel«. Die letzte Veranstaltung in dieser Reihe ist am 27. Oktober 2007 über die Bühne gegangen, neun Jahre nach Gerhard Gundermanns Tod.
Die Sanierung der beiden 119 Jahre alten Veranstaltungssäle hätte eigentlich 2020 abgeschlossenen sein sollen. Dass es beim Großen Saal länger dauert, lag an der Gründlichkeit der Arbeiten, die manche Überraschung zutage förderte, so etwa das verdeckte neobarocke Eingangsportal von 1902, das in die neue Gestaltung integriert wurde. Auch hinter den Wandpaneelen im Großen Saal wurde die Originalgestaltung mit Stuckelementen freigelegt und restauriert. Eine »Wundertüte« nennt Urbich die Rabitzwände, die alle Zeit- und Kostenpläne platzen ließen.
»Mitte August« - das ist eine sportliche Ansage, denn noch präsentieren sich Saal und Außenanlagen als Baustelle. Ein Fest zur Eröffnung werde es wegen der Pandemie nicht geben. Passen würde aber, dass vom 28. August bis 26. September eine gemeinsame Initiative von Nachbarschaften, Künstlern, Spielstätten und unterschiedlichen Planungsteams zum ersten Kultursommer Weißensee ruft. »Es wird nicht das ›Weißenseer Blumenfest 2.0‹ werden. Das ist in seiner Art Geschichte«, sagt Adam Kostuch. Das neue Festformat führe die Themen Geschichte, Kultur, Begegnung und Umwelt zusammen, coronabedingt zunächst eher bescheiden.
Der Kulturkalender 2021 ist dennoch bereits gut gefüllt. Online laufen im Literatursalon schon länger Lesungen, am 14. April startete die Open Stage - Frei-Kunst-Kultur. Und am 12. Juli wird der 100. Geburtstag von Peter Edel gewürdigt.
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