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Auf dem Weg zu neuen Ufern
Die ehemalige Weltklasse-Schwimmerin Antje Buschschulte will für die Grünen in den Magdeburger Landtag
Die Lorbeerblätter sind natürlich längst vertrocknet, dagegen konnte auch Antje Buschschulte nichts tun. Es ist einfach zu lange her: 2004 erklomm die ehemalige Weltklasse-Schwimmerin bei den Olympischen Spielen in Athen mit der deutschen Staffel den dritten Platz des Siegertreppchens – einer der Höhepunkte ihrer sportlichen Karriere. Auf einem Foto von damals sieht man Buschschulte abgekämpft, aber freudestrahlend mit ihren Teamkolleginnen Sarah Poewe, Franzi van Almsick und Daniela Götz, die Bronzemedaillen stolz in die Kamera haltend. Und die Lorbeerkränze auf den Köpfen der Athletinnen noch ganz frisch.
Eine Zeit, die sie längst hinter sich gelassen hat. »Als ich 2008 aufhörte, dachte ich: Nun gehe ich in Rente«, sagt die im Gespräch mit dem »nd« ganz und gar nicht alt wirkende 42-Jährige, die nun – 13 Jahre nach dem Ende ihrer glorreichen Laufbahn auf den Bahnen dieser Welt mit insgesamt fünfmal Bronze bei drei Olympischen Spielen sowie mehreren Welt- und Europameistertiteln – einen Neuanfang wagt. In gar unbekanntem Gewässer, auf dem Weg zu neuen Ufern: Sie tritt für die Grünen bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni an – und hat, das verlangt nun einmal der Sportsgeist, auch in diesem neuen Lebensabschnitt ein klares Ziel vor Augen.
Nein, keinen Lorbeerkranz. Diesmal nicht. Das »klare Ziel«, das Buschschulte täglich in ihrem Büro auf einem an der Eingangstür klebenden Wahlplakat zu sehen bekommt: »Klima retten«. Ein Vorhaben, das sie schon ihr ganzes Leben lang begleitet, ähnlich wie die Schwimmerei. »Ich war schon als Kind und Jugendliche sehr umweltbewegt«, sagt sie. Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl, der Saure Regen – diese Dinge trieben Buschschulte damals um: »Im Gegensatz zur Klimakrise, auf die wir heute zusteuern, waren das ja nur kleine Symptome.«
Handschlag als Auslöser
Nun kann sie endlich selbst etwas gegen den Klimawandel tun, hatte sie doch als Sportlerin nur bedingt die Gelegenheit dazu. Doch auch die Schwimmkarriere prägte sie. »Man bekommt einen Blick für die Menschen vor Ort, der nicht touristisch ist«, sagt Antje Buschschulte, die »geschockt war« von der Armut in der Welt. Sie berichtet von einem Weltcup in Rio de Janeiro: »Wir waren in einem Hotel, das etwas Kolonialistisches an sich hatte. Da war ein Fahrstuhl, in dem die ganze Zeit ein Mann saß und kurbelte.« Und weiter: »Dann fuhren wir durch einen Tunnel, der undicht war. Da kam Wasser durch die Decke. Darin hat jemand geduscht.«
Der entscheidende Auslöser, in die Politik zu gehen, war aber ein anderer: die Ereignisse nach der Landtagswahl in Thüringen vor einem Jahr, der Handschlag zwischen Thomas Kemmerich und Björn Höcke. »Da habe ich mir gedacht: Ich kann für Sachsen-Anhalt etwas bewegen, indem ich mein noch halbwegs bekanntes Gesicht nutze, um dafür zu werben, keine antidemokratischen Parteien zu wählen.«
Klingt nach einer durchdachten Strategie. Denn der Sport, das weiß auch Buschschulte, hat für viele Ostdeutsche seit der DDR-Zeit – über die politischen Lager hinweg – eine immense Bedeutung. »Die Ostdeutschen sind sehr verbunden mit dem Sport und häufig auch sehr informiert«, sagt Buschschulte: »Diese Verbundenheit sitzt tiefer als in Westdeutschland. Die Leute wissen sogar meine Zeiten, die kenne ich ja selbst nicht mehr.«
Gewiss: Kandidaten wie Buschschulte, die als »von außen« Kommende wahrgenommen werden, faszinieren die Öffentlichkeit. Zwar fehlt ihr die politische Erfahrung – »auf politische Reden im Landtag bin ich nicht sonderlich vorbereitet« –, doch andererseits kann sie in ihrer Rolle etwas gegen den Vorwurf unternehmen, Politik finde nur in einem abgeschlossenen Raum, betrieben von einer wie auch immer zu definierenden »Elite« statt.
Dass sie nicht die übliche »Ochsentour« über die Parteijugend, den eigenen Kreisverband oder kommunalpolitische Ämter hinter sich hat, sieht sie nicht als Nachteil an – im Gegenteil, sie fühlt sich zur Selbstverteidigung genötigt: »Dass ich keine lange Parteikarriere absolviert habe, heißt nicht, dass ich nichts einzubringen habe. Eine Partei lebt davon, dass nicht alle gleich sind.«
Mandat ist möglich
Wobei: So ganz neu ist Antje Buschschulte nun auch wieder nicht. 2011 wurde sie Büroleiterin von Rainer Robra, der seit 2002 ununterbrochen – zunächst unter Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, später unter Reiner Haseloff – die Staatskanzlei leitet. Nun will sie den nächsten Schritt wagen – raus aus der Verwaltung, rein ins Parlament. Ein Mandat ist nach derzeitigem Ermessen möglich. In Umfragen stehen die seit fünf Jahren in einer Kenia-Koalition mit CDU und SPD regierenden Grünen bei neun bis zwölf Prozent. Buschschulte steht auf Listenplatz neun – das könnte für den Einzug reichen.
Gefragt nach einer Einschätzung der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation in Sachsen-Anhalt muss die sonst sehr redelustige Kandidatin kurz nachdenken. »Ich glaube, Sachsen-Anhalt ist ein Land, das immer mit dem Problem kämpft, keine klare Identität zu haben wie beispielsweise Sachsen«, sagt sie dann – und spricht von Überalterung im ländlichen Raum, von wirtschaftlicher Ungerechtigkeit zwischen Ost und West, von einer gespaltenen Gesellschaft: »Der Ton auf der Straße ist rau.«
Gewiss: Die Gesellschaft zu kitten, das ist eine große Aufgabe. Antje Buschschulte ist eine, die auf diesem Weg eine wichtige Rolle spielen könnte – auch wenn sie diesmal keine Lorbeeren dafür bekommt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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